Pro Vita Alpina (Hrsg.), Tiroler Land wie bist du

Buch-CoverEin Mythos dient meist dazu, etwas Tabuisiertes darzustellen und durch seine pure Benützung Identität zu schaffen. So hat also jedes Land, das etwas auf sich hält, einen spezifischen Mythos, damit die Gegend und deren Bewohner als einmalig erkannt werden können.

Selbstverständlich hat auch Tirol einen Mythos, manche sprechen sogar von einem Mega-Mythos, weil alles um Andreas Hofer herum so gewaltig und großartig ist.

Aber vielleicht sollte man beim Tiroler Mythos eher von einem Meta-Mythos sprechen, denn die Tiroler machen sich ständig selbst über ihre Heroisierung der Geschichte und das witzige Drumherum lustig.

Damit man bei dem ganzen Trubel nicht den Überblick verliert, wird alle 25 Jahre ein Hofer-Jahr ausgerufen, das vorne zelebriert und hinten belächelt wird. Anlässlich der Hoferei um 2009 hat "Pro Vita Alpina" eine Dokumentation mit CD herausgebracht. Darin setzen sich die kritischen Patrioten voller Inbrunst mit dem Land und seinem unverwechselbaren Hofer-Kult auseinander.

Das Buch liest sich wie ein Who-is-Who der aufgeklärten Szene. Hans Haid, Oswald Perktold, Thomas Schafferer, Hans Karl Peterlini, Astrid Kofler, Gerhard Prantl oder Matthias Schönweger greifen jeweils tief in die patriotische Kiste und holen Schaustücke der Ironie hervor.

Die meisten Texte werden auch von Marcello Fera musikalisch unterlegt, damit sie leichter ins Ohr gehen oder man bei Marschversuchen leichter aus dem Schritt kommt. Der Komponist greift dabei vordergründig feines Liedgut, "damische" Märsche oder heftige Alpen-Arien auf, um sie durch perfektes Zitieren oder unbarmherziges Modulieren ad absurdum zu führen. In die Lücke, die durch die Verfremdung entsteht, fallt das Gehör zuerst hinein ins Bodenlose, ehe sich etwas Neues, Gegenwärtiges und Authentisches für die Nullerjahre heraushören lässt.

So entstehen aufregende Hörerlebnisse, wenn sich etwa die Litanei von Oswald Perktold selbständig macht und in jeder Zeile nach einem Wort mit "Inn" verlangt. Dabei entstehen Geschichten über die wahren Zusammenhänge der Fakten in Tirol. So folgt etwa auf die Hyper-Einrichtung "Inn-terpol" das bodenständige Gegenorgan der Wasserwacht.

Eine Aufzählung der Musikstücke zeigt bereits mit einem Blick, wie es auf der Hinterseite des Tiroler Mythos ausschaut. Ein Jenisches Liebesgedicht von Romed Mungenast wird zum Erklingen gebracht, Oswald von Wolkenstein kommt in einer Nachdichtung von Gerhard Ruiss ins 21. Jahrhundert, der Brenner verschwindet bei Thomas Schafferer im eigenen Nadelöhr.

Tiroler Land wie bist du? wird zweisprachig gefragt. Die Antwort fällt musikalisch, ironisch, kontinental aus. Ein wahrlich grenzüberschreitendes Kulturprojekt!

Pro Vita Alpina (Hg.), Tiroler Land wie bist du ...? Eine musikalisch-literarische Reise. Ein grenzüberschreitendes Kulturprojekt. Tirolo come sei ...? + CD
Mötz: Bona Editio 2009. 157 Seiten. ISBN 978-3-902581-10-5

Helmuth Schönauer, 16-04-2010

Bibliographie

Buchtitel

Tiroler Land wie bist du...? Eine musikalisch-literarische Reise. Ein grenzüberschreitendes Kulturprojekt. Tirolo come sei ...?

Erscheinungsort

Mötz

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Bona Editio

Herausgeber

Pro Vita Alpina

Seitenzahl

157

ISBN

978-3-902581-10-5