Herbert Rosendorfer, Neue Lieder, schlichte Weisen

Buch-CoverOft erreichen überladene Dinge ihre Leichtigkeit erst durch präzise Verhöhnung. Lyrik gilt oft trotz der Seltenheit der darin vorkommenden Wörter als sehr schwere Kost, die sogar Depressionen auslösen kann.

Herbert Rosendorfer, der alte Schelm der Literaturanwendung, greift der Lyrik dieses Mal locker unter die Arme und richtet sie an ihrer eigenen Hinfälligkeit auf. Er behauptet nämlich von seinen Texten manchmal, dass sie das gar nicht sind, als was sie sich ausgeben. So ist eine Überschrift keine Überschrift, ein Reim ist kein Reim und ein Gedicht kein Gedicht. "Ein Gedicht" Heißt das dichten? Mitnichten. (11)

Die "Un-Gedichte" kümmern sich um die absurdesten Themen und reißen ihnen mit gekonnten semantischen Handgriffen das lyrische Herz auf. Dabei geht es um die Suche nach heroischen Namen, musikalische Variationen über ein Thema von Bernstein oder um die Aussichten nach dem Tod.

Wenn ich einmal gestorben bin, dann werdet ihr was erleben, [...] Da gibt`s nichts zu lachen, ihr Affen, Wenn ich gestorben bin, geht es los. Da werdet ihr blöd aus der Wäsche gaffen. Wartet bloß! (16)

Was wie eine gefährliche Drohung klingt, ist vielleicht bloß eine Vorsichtsmaßnahme, die jeder Autor zu Lebzeiten treffen sollte.

So ist es Usus geworden, das Werk schon zu Lebzeiten als Vorlaß in den diversen Literaturhäusern abzustellen, damit nach dem Tod des Autos die Forschung und Bewunderung sofort los gehen kann.
Wenn Literatur ein Über-Lebensmittel ist, wie immer wieder behauptet wird, dann wäre Gras für eine Kuh Lyrik.

Volkslied // Ich gras nicht am Neckar, ich gras nicht am Main, / Lass auch an der Wupper das Grasen gerne sein. / Ich fress an der Elbe nicht Gras und nicht Klee, / Und auch an der Etsch ich das Gras überseh. // An Donau, an Neiße das Gras schmeckt mir leider / So wenig wie Gras an der Spree oder Eider, / Lass auch an der Mosel das Gras gern in Ruh?, / Gras nicht an der Isar, denn ich bin keine Kuh. (25)

Auf den ersten Blick wirken die Gedichte Rosendorfers oft doof und schlicht daneben, aber genau das ist die hohe Kunst Rosendorfers: Weg mit dem heroischen Lyrik-Getue, hin zu den Niederungen des Alltags. Da geht es ja auch nur darum, als Thema in einer Zeitung vorzukommen nach dem lyrischen Motto: Was ist Gras, wer ist noch am Leben, wie sterbend schwimmt der Schwan. Herbert Rosendorfer räumt auf mit hochgezogenen Nasen, indem er sie einzeln abschnäuzt und den Rotz in Verse gießt. - Elegant sarkastisch.

Herbert Rosendorfer, Neue Lieder, schlichte Weisen. Gedichte. Mit Zeichnungen des Autors. Ausgewählt und herausgegeben von Martin Kolozs.
Innsbruck: Kyrene 2010, 43 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-900009-74-8.

 

Helmuth Schönauer, 18-10-2010

Bibliographie

AutorIn

Herbert Rosendorfer

Buchtitel

Neue Lieder, schlichte Weisen

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

43

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-900009-74-8

Kurzbiographie AutorIn

Herbert Rosendorfer, geb. 1934 in Bozen, lebt seit 1997 in Eppan.