Rita Egger, Auf der Bozner Wassermauer
In der Literatur gibt es vom Klang der Namen her gesehen Orte der Konfrontation und Orte der Versöhnung.
Rita Egger sucht in ihren dreizehn Sommergeschichten wohlwollend gesonnene Orte auf, an denen sie ihre Figuren räsonieren, lustwandeln und mit Gelassenheit das eigene Leben überblicken lässt.
Dabei tauchen am locus amoenus diverse friedfertige Figuren rund um eine ältere Dame auf und lassen alles wieder gut werden. Meist nämlich liegt noch ein Hauch von Melancholie, eine kleine Eintrübung der Erinnerung oder ein Stück vergessene Liebschaft in der Luft, die anlässlich einer Episode bereinigt werden.
In der Start-Erzählung schwelgen anlässlich eines Hafenspaziergangs in Lindau Großmutter und Enkelin von verflossenen Liebschaften. Während es bei Großmutter eine lebenslange Ehe ist, der sie nachtrauert, ist es bei der Enkelin eine heftige Liebschaft, die es abzuarbeiten gilt. Statt des Kavaliers hat sie nun eine alte Dame am Arm, „aber wir wollen das Beste draus machen“, beschließen sie. (15) Überhaupt ist die Wortwahl sehr getragen, es werden noch Briefe geschrieben und die Enkelin hat in Lindau durchgehend „keine Zigarette und keinen Alkohol genommen“.
Die Titelgeschichte spielt auf der Bozner Wassermauer, einem Ort, der prächtig zum Flanieren geeignet ist, wie man am beigefügten Erzähl-Foto sehen kann. Bei einer zufälligen Begegnung zwischen einer älteren Dame und einem offensichtlich fremden Mann, tut sich eine vergangene Familiengeschichte auf.
Der Mann hatte einst eine Liebschaft in Bozen, aber die Boznerin wollte nicht aus Bozen weg, hat den Mann verschmäht und ihr Kind alleine auf die Welt gebracht, was ihr später sehr leid getan hat, das mit dem Mann nämlich. Die ältere Dame kennt zufällig die besagte Bozner Familie und bringt die fehlenden Familienteile zueinander. Große Freude und abgeklärte Erinnerung sind angesagt.
Auch in den übrigen Erzählungen geht es meist um Glückserwartungen an die Ehe, um Familienverquickungen und unerwartete Zusammenführungen. Regen kann eine Erinnerung an eine behütete Kindheit auslösen, die erst durch eine Kreuzfahrt gestillt wird und jeden Ort mit Wasser zu einem Glücksort macht. Stift Fiecht, das Bildungshaus Matrei, das Innufer bei Innsbruck geben jeweils ein glückliches Ambiente für romantische Erinnerungen ab.
Rita Egger erzählt in einer musikalisch feinen Sprache, die bewusst in Patina getaucht ist, von den Abenteuern der Liebe, von gestillten Sehnsüchten und einem geduldigen Blick, der in dieser Unaufgeregtheit wie von selbst zu kommen scheint. – Schöne Kammerstücke für die abgeklärte Seele.
Rita Egger, Auf der Bozner Wassermauer und andere Sommergeschichten. Fotos.
Gnas: Weishaupt 2012. 137 Seiten. EUR 13,60. ISBN 978-3-7059-0347-0.
Weiterführender Link:
Weishaupt-Verlag: Rita Egger, Auf der Bozner Wassermauer und andere Sommergeschichten
Helmuth Schönauer, 24-09-2012