Sabine Gruber, Zu Ende gebaut ist nie

Lyrik ist nicht nur der Text, der irgendwie zu den Leserinnen durchdringt, sondern vor allem das Ambiente, die Darbietungsform, das Weiße zwischen den Zeilen, das Haptische zwischen den Fingern, der Klang, der beim Umblättern entsteht.

Sabine Grubers minimalistisches Gedichtbändchen „Zu Ende gebaut ist nie“ erfüllt alle diese Voraussetzungen, um einen Abend der Unvergesslichkeit zu bescheren. Denn ähnlich wie ein imposanter Kino- oder Restaurantbesuch beschert ein Abend mit einem Lyrikband vor allem eine positive Markierung im eigenen Lebensablauf. Eine gelungene Lektüre zerteilt die Zeit in vorher und nachher.

Das bibliophile Bändchen umfasst vierzehn Gedichte, die im Leser vor allem ein Weitertreiben auslösen. Denn auch die Gedichte sind nicht fertig, wenn sie dem Leser zur Vollendung überantwortet werden. Zusammengehalten werden diese Gedichte in „Aktenstichheftung“, was nicht nur die Herzen von Beamten höher schlagen lässt.

Im Start-Gedicht löst ein Waschvorgang im Schongang im lyrischen Ich einen Ruck aus, vielleicht ist es das Leben, das drinnen in der Trommel herum kreist, mit Knöpfen an die Glas-Haut des Bullauges schlägt und mit kreischenden Pumpbewegungen im Abfluss verschwindet.

„Es kommt der Tod“ (11) heißt es jäh in einem anderen Gedicht, „er wird nicht deine Hände haben, nicht dein Gewicht, wird nach mir suchen, nach deinem Gesicht.“ Dieser Tod wird mit großen Worten kommen und er bevorzugt helle Orte, eine durchaus befreiende Erscheinung.

In einem billigen Wirtshaus auf der anderen Seite sind auch die Worte billig, die herum streunenden Figuren zerstören sich gegenseitig die letzte Wertschätzung für ein paar Flaschen Wein.

Im titelgebenden Gedicht „Zu Ende gebaut ist nie“ ist von einem Rohbau die Rede, bei dem vielleicht nur der Notausgang funktioniert. Eine seltsame Wärme ist schon in den Räumen, die nicht fertig sind, eine lyrische Figur tappt in diesem Fragment von Haus herum, manches bietet Schutz, anders ist gefährlich wie Zugluft, das Leben kommt über den Status eines Rohbaus nicht hinaus.

Das große Abschlussgedicht ist dem Vinschgau gewidmet, zugesprochen dem unvergesslichen Journalisten-Poeten Gabriel Grüner.

Talabwärts hängt das Obst dicht / Talaufwärts suche ich vergebens / Nach den Kindheitsmarillen. / Das Holz ist längst verheizt, / Der Geschmack auf Durchreise. / Ich habe dich auf der Zunge. (19)

Das ist das Bemerkenswerte an dieser Lyrik Sabine Grubers, sie kann überall einsetzen, sie ist ein Pelzer auf dem Grundholz des Alltags. Ein paar Zeilen sind vorgegeben, die Stellen sind markiert, wo die Leser ihre Nägel einschlagen müssen, um die eigenen Bilder daran festzumachen. Zu Ende gebaut ist nie.

Sabine Gruber, Zu Ende gebaut ist nie. Gedichte.
Innsbruck: Haymon 2014. 24 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-7099-7140-6.

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Sabine Gruber, Zu Ende gebaut ist nie
Wikipedia: Sabine Gruber

 

Helmuth Schönauer, 03-03-2014

Bibliographie

AutorIn

Sabine Gruber

Buchtitel

Zu Ende gebaut ist nie. Gedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Haymon Verlag

Seitenzahl

24

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-7099-7140-6

Kurzbiographie AutorIn

Sabine Gruber, geb. 1963 in Meran, lebt in Wien.