Margit von Elzenbaum, Zwischen jetzt und jetzt

Eine Geschichte verändert sich naturgemäß, wenn sie in eine andere Sprache übersetzt wird. Oft erschließt sich der tiefere Sinn erst, wenn man den Text zweisprachig plastisch vor sich sieht wie eine Stereoaufnahme von einem Gelände.

Margit von Elzenbaum greift das fundamentale Thema der Südtiroler, nämlich die Mehrsprachigkeit, in ihren elf Geschichte auf, freilich geht es dabei um den Gap zwischen Dialekt und verschrifteter Sprache. Manche Geschichten sind als kurze lyrische Impression angelegt und logischerweise im Dialekt gehalten, die längeren und komplexeren Geschichten halten sich an die Schriftsprache. Einen Sonderfall stellt die Titel-gebende Story „Zwischen jetzt und jetzt“ dar, worin an besonders emotionalen Stellen oder wenn eine Heldin in den inneren Monolog wechselt, der Dialekt nahezu brachial loslegt.

An dieser Stelle muss kurz aus der Sicht eines Nicht-Südtirolers berichtet werden, wie man von außen die Sprachgepflogenheiten sieht. In kaum einer Gegend wird zwischen Dialekt und Schriftsprache so heftig gewechselt wie in Südtirol. Die strenge Trennung zwischen öffentlichem Auftritt und persönlicher Gedankenlage wird beinahe in jedem Satz manifest, vermutlich, weil in der Schule ein beinahe künstliches Deutsch wie eine Fremdsprache gelehrt und angewendet wird. Der Dialekt wird auch als politischer Geheimcode verwendet. Nicht dass man als Außenstehender ihn nicht verstünde, aber seine Botschaft ist: Du hast hier nichts zu sagen! Deshalb wird etwa im Tourismus so gut es geht auf den Dialekt verzichtet, weil man ja ein Geschäft machen will.

In den Geschichten der Margit von Elzenbaum geht es um diesen Switch zwischen öffentlich und privat. Die Figuren setzen den Dialekt klug ein, wenn sie einander Privates mitteilen möchten, wenn die Story zu einer Lehrgeschichte ausartet, wird sofort in das Schriftdeutsch gewechselt.

So freuen sich auf privater Ebene Insassen einer Gondel auf das Freizeiterlebnis, das sie als Einheimische endlich ohne Touristen genießen wollen, weshalb sie Dialekt sprechen.

Im Sabbatwinter hingegen wird vom Einsitzen in einer Haftanstalt berichtet, das den Umstehenden als Sabbatwinter verkauft wird. Da es sich um ein Lehrstück über Strafvollzug handelt, ist Schriftsprache angesagt.

Die Hochzeit in öffentlicher Sprache vorgeführt dient vor allem dazu, die Gefühle der Öffentlichkeit zu stillen, die Braut handelt beinahe als Amtsperson für Selfies und ähnlich sentimentalen Schnickschnack.

Auch das edle Poesiealbum aus Kindertagen erweist sich hintennach als Ritual, das als pädagogische Maßnahme in der Schule gepflegt worden ist. Die Sprüche von damals haben mit dem wirklichen Leben nichts zu tun, wie vermutlich auch der übrige Stoff nicht, der in pädagogischen Anstalten vermittelt wird.

Das Lesen der Dialekt-Texte ist zwar für Menschen mit überfliegendem Gestus etwas mühsam, aber wenn man sich diese Geschichten einmal mit dem Leseauge erkämpft hat, entsteht plötzlich ein ganz neuer Zugang zu all den Sätzen, die öffentlich und intim herumschwirren.

Margit von Elzenbaum, Zwischen jetzt und jetzt. Elf Geschichten
Bozen: Edition Raetia 2016, 119 Seiten, 9,90 €, ISBN 978-88-7283-559-3

 

Weiterführende Links:
Edition Raetia: Margit von Elzenbaum, Zwischen jetzt und jetzt
Bücher-Wiki: Margit von Elzenbaum

 

Helmuth Schönauer, 25-05-2016

Bibliographie

AutorIn

Margit von Elzenbaum

Buchtitel

Zwischen jetzt und jetzt. Elf Geschichten

Erscheinungsort

Bozene

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Edition Raetia

Seitenzahl

119

Preis in EUR

9,90

ISBN

978-88-7283-559-3

Kurzbiographie AutorIn

Margit von Elzenbaum, geb. 1950 in Bozen, lebt in Auer.