Dietmar Füssel, Wiederholte Geburten

titelbild: Dietmar Füssel, Wiederholte Geburten. Der Titel ist höchst hinterlistig gewählt, es kann sich um mehrere Geburten handeln, die anfallen, aber auch um falsche oder ungültige, die wiederholt werden müssen.

Dietmar Füssel lockt mit diesem fetzigen Titel die Leser in ein Abenteuer, das sie vielleicht am besten von hinten her angehen. Bei diesem historischen Roman handelt es sich nämlich um eine ziemlich umfangreiche altägyptische Sache, und man ist gut beraten, hinten einmal die handelnden Personen und Schlagwörter nachzulesen, damit man ein bisschen eine Ahnung von Göttern, Mythen, Gesellschaften und Außenpolitik kriegt. Zwar erzählt der Autor als gelernter Bibliothekar sehr Leserfreundlich, aber ein bisschen Fakt muss sein.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Frauenarzt und Priester Merire, der mit seiner Kunst, späte Schwangerschaften auszulösen, in eine Zwickmühle gerät. Hält er sich zurück, verliert er die Patientinnen, ist er erfolgreich, gerät er in Konflikt mit den Herrschenden. Denn die Reproduktion untersteht den Göttern und den Herrschern als deren irdische Ableger.

Merire versucht sich als Intellektueller so gut es geht aus den Machtspielen herauszuhalten, seine erste Ehe ist schon schiefgegangen, der Ausbildungsmeister hat ihn nach vollendeter Ausbildung gelinkt, und als im Herrscherhaus durch seinen kühnen Eingriff zwar die Königin, nicht aber das Kind gerettet werden kann, verliert er alle Patientinnen.

Als Ausweg aus dem Schlamassel in Ägypten wird er ins feindliche Hethiterreich geschickt, dort soll er einer Uralt-Königin zum notwendigen Nachwuchs verhelfen, damit die verfeindeten Länder nicht doch noch in einen Krieg treten. Der Arzt ist der diplomatischen Herausforderung nur bedingt gewachsen, immerhin bringt er aber eine neue Ehe zusammen, übersteht Intrigen und trägt einen brauchbaren Frieden nach Hause, als die Mission abgeschlossen ist.

Dietmar Füssel verlegt die Frage von naturwissenschaftlicher Kunst, Macht und Religion in eine ferne Zeit, um die Gegenwart durch neue Aspekte aufzubrechen. Mit der Methode des historischen Romans hat man sich schon in der DDR geholfen, heiße Kartoffeln abzukühlen. In einer aktuell ziemlich monumentalen Einheitsliteratur wird wahrscheinlich der historische Roman vermehrt zu seiner Renaissance kommen.

In die lineare Story vom Priester-Arzt sind jede Menge altägyptischer Geschichten wie Scherben oder Papyri-Fuzzel ausgelegt. Vor allem die Totgeburt mit Froschkopf begleitet den Protagonisten als Warnung, das Genetische und Göttliche nicht zu vermischen. Wiederholte Geburten sind vor allem ein geduldiger Versuch, still gehaltenen Themen durch Spiegelung über die Antike zu neuer Brisanz zu verhelfen.

Dietmar Füssel, Wiederholte Geburten. Historischer Roman
Klagenfurt: Sisyphus Verlag 2016, 617 Seiten, 20,80 €, ISBN 978-3-903125-08-7


Weiterführende Links:
Sisyphus Verlag: Dietmar Füssel, Wiederholte Geburten
Wikipedia: Dietmar Füssel

 

Helmuth Schönauer, 07-02-2017

Bibliographie

AutorIn

Dietmar Füssel

Buchtitel

Wiederholte Geburten

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Sisyphus Verlag

Seitenzahl

617

Preis in EUR

20,80

ISBN

978-3-903125-08-7

Kurzbiographie AutorIn

Dietmar Füssel, geb. 1958 in Wels, lebt als Bibliothekar und Schriftsteller in Ried/OÖ.