Heiner Flassbeck / Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung

Titelbild: Heiner Flassbeck, Gescheiterte Globalisierung„Die Kritik an der Globalisierung ist scheinbar umfassend, aber sie ist zugleich unkonkret und unstrukturiert, weil bei allen unterschiedlichen Blickrichtungen und ganz unterschiedlicher Kritik praktisch nie infrage gestellt wird, dass der freie Handel Gutes tut. Die Globalisierung, sagte etwa Peter Bofinger, schade zwar dem Einzelnen, nütze aber den Nationen.“ (15)

Nachdem mit dem Ende des Kalten Krieges und der Spaltung der Welt in kapitalistischen Westen und kommunistischen Osten ein neues Kapitel aufgeschlagen wurde, schien einem friedlichen Zusammenleben und einer globalen Kooperation der Länder nichts mehr im Wege zu stehen. Doch weder nationale Politik noch globale Kooperation wissen seit dieser Zeit der schrankenlosen dynamischen Liberalisierung der Märkte etwas entgegenzusetzen.

Grundlage des liberalen Denkens, das seither die Wirtschaftspolitik zahlreicher Staaten beherrscht, ist das Konzept des Liberalismus mit der Idee der globalen Arbeitsteilung freier Menschen, wo sich der Einzelne nach seinen individuellen Fähigkeiten einbringen kann, was zum freien und zugleich wohlhabenden Erdenbürger führen solle.

Während der „liberale Mythos von der spontanen Selbstregulierung gesellschaftlicher Systeme“ an der Wirklichkeit gescheitert ist, fehlt es weiterhin an einem übereinstimmenden Verständnis zentraler ökonomischer Zusammenhänge, was an der missverstandenen Rolle der Digitalisierung aufgezeigt wird.

Daneben werden heilige Kühe des Liberalismus wie der frei Handel von Kapital und Arbeit sowie der ständige Wettbewerb einer kritischen Analyse unterzogen. Es wird aufgezeigt, wie sich der politische Liberalismus und der Wirtschaftsliberalismus wechselseitig mit Argumenten unterstützen, dabei aber auf einem falschen Bild des autonomen Individuums als auch der Marktwirtschaft aufbauen und daher Ursache und nicht Lösung gegenwärtiger Probleme darstellen.

Das Kapitel „Der demokratische Staat und die Gesamtwirtschaft“ stellt die zentrale Rolle des Staates für die Bereiche Geld, Kapital und Arbeit und damit für die Demokratie und das Gemeinwohl dar. Dabei werden die Grundzüge einer neuen Ökonomik aufgezeigt, wobei auf die Kontroverse zwischen Neoklassik und Keynesianismus verwiesen und die Bedeutung der Leistungsbilanz und die Folgen des Sparens der Nationen erläutert.

Kapitel III „Der Neoliberalismus als Regressen“ kritisiert die grundlegenden Annahmen neoliberalen Denkens wie z.B. den Arbeitsmarkt wie einen gewöhnlichen Markt von Gütern oder wirtschaftliche Ungleichheit als naturgegeben zu verstehen. Im Kapitel „Geld als Domäne des Staates“ wird neuerlich die zentrale Bedeutung des Staates für Wirtschafts- und Finanzfragen unterstrichen und die Grundlagen des Geld- und Finanzsystems, wie z.B. Zentralbankfinanzierung und Inflation, erläutert.

Im abschließenden Kapitel „Moderne Wirtschaftspolitik und die Rolle des Staates“ werden die Aufgaben der Wirtschaftspolitik durch die Globalisierung aufgezeigt und die Bedeutung der Arbeit, die Entwicklung der Lohnstückkosten oder etwa die Bekämpfung von Ungleichheit für eine verträgliche ökonomische und soziale Entwicklung der Gesellschaft ebenso propagiert, wie eine Reform der Geschäfts- und Zentralbanken u.a.

Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt gelingt es gezielt und verständlich die gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Krisen als Ergebnis fehlgeleiteten neoliberalen Denkens zu denunzieren, das die gegenwärtige Politik und Wirtschaftspolitik immer noch fest in ihrem Griff hält. Dabei werden komplexe Fragen verständlich auf den Punkt gebracht und auch für Nichtökonomen fassbar gemacht.

Ein überaus wichtiges und empfehlenswertes Buch, das die Krisen der Gegenwart erklärbar macht und Auswege aus der Sackgasse gegenwärtiger Politik aufzeigt und damit Perspektiven aus einer scheinbar verfahrenen wirtschaftlichen Sackgasse eröffnet.

Heiner Flassbeck / Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung. Ungleichheit, Geld und die Renaissance des Staates
Berlin: Suhrkamp Verlag 2018, 410 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-518-12722-3

 

Weiterführende Links:
Suhrkamp Verlag: Heiner Flassbeck / Paul Steinhardt, Gescheiterte Globalisierung
Wikipedia: Heiner Flassbeck
Makroskop

 

Andreas Markt-Huter, 07-08-2018

Bibliographie

AutorIn

Heiner Flassbeck / Paul Steinhardt

Buchtitel

Gescheiterte Globalisierung. Ungleichheit, Geld und die Renaissance des Staates

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Suhrkamp

Reihe

es 2722

Seitenzahl

410

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-518-12722-3

Kurzbiographie AutorIn

Heiner Flassbeck war Direktor bei der UNO in Genf und ist Professor für Ökonomie an der Universität Hamburg. 2012 ist sein Blog flassbeck-economics.de mit täglichen Analysen und Kommentaren zu Wirtschaft und Politik online gegangen.

Paul Steinhardt war in Führungspositionen für deutsche Banken und deren Tochtergesellschaften im In- und Ausland tätig. Sein wissenschaftliches Interesse gilt der Geldtheorie und der Finanzmarkt- und Bankenregulierung. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift Makroskop.