Christoph Hölz u.a. (Hg.), Architekturführer Innsbruck

Christoph Hölzl, Architekturführer InnsbruckWas das Familienalbum für die Angehörigen ist, ist der Architekturführer für die Stadtbewohner. Hier können die Zeitgenossen jeweils nachschauen, wie die Geliebten und Geschätzten beisammen sind. Denn Gebäude sind nicht nur die dritte Haut des Menschen, sondern auch ein Gegenüber, mit dem man diskutiert, indem man es betritt.

Ein Team des Archivs für Baukunst an der Universität Innsbruck hat ein Nachschlage-Bilderbuch über Innsbruck herausgebracht, in welchem knapp dreihundert Gebäude, deren Architekten, Auftraggeber und Benutzer aufgeschlüsselt sind. In der Gebrauchsarchitektur geht es um Bauten der Gegenwart, Gebäude, die es in den Überlebenskanon geschafft haben, gehen naturgemäß Jahrhunderte zurück.

Register über Objekte, Architekten und Straßennamen ermöglichen ein rasches Auffinden nach jeweiligen Kategorien, der unbedarfte Bewohner der Stadt wird freilich hemmungslos im Kompendium blättern und nicken, wenn er etwas kennt, und die nächsten Spazierwege vormerken, wenn etwas unbekannt ist.

Wie politisch letztlich Architektur ist, zeigt der schöne Aufsatz über die baulichen Entwicklungen nach 1945. Da in Gestalt von Architekt und Bauträger zwar Individuen im Einsatz sind, sonst aber wegen der hohen Kosten meist irgendwie gestaltete Kollektive die Szenerie prägen bis hin zum berüchtigten Volksempfinden, haben wir es in der Bautätigkeit immer mit politischen Entscheidungen zu tun. Sei es, dass man Kriegsschäden retuschiert, einen speziellen Verkehrsträger wie das Auto hofiert, oder soziale Schichten zusammenpresst, bis die letztmögliche Verdichtung erreicht ist. Immer sind es politische Entscheidungen, die man gewollt oder ungewollt Jahrzehnte lang aushalten muss.

Geradezu aufwühlend wird der kritische Kommentar mit der These, dass alles architektonische Desaster der Stadt Innsbruck auf die Auswüchse der beiden Olympischen Spiele 1964 und 1976 zurückgeht. In diesem Lichte sind auch die ständigen Olympiabewerbungen zu sehen, diese Spiele dienen letztlich dazu, dass gewisse Wirtschaftszweige Kohle machen, während die normale Bevölkerung mit gebauten Monstrositäten jeglicher Art zurückbleibt.

Das rechte Augenmaß scheint überhaupt das Problem der Innsbrucker Architektur zu sein. Da die Gebäude meist einzeln verhandelt werden, bleibt das Größere, das Ensemble, meist auf der Strecke. Und selbst Kleinodien wie die Innenhöfe der sogenannten Südtiroler Siedlungen werden als Ganzes zerstört mit dem Zauberwort Verdichtung.

Als Konsumenten, Spaziergänger oder Touristen sehen wir mit den Gebäuden immer nur nach hinten, was alles gewesen ist. Aber der geschulte Blick sieht in den Gebäuden auch die Zukunft und jene Projekte, die in der Pipeline sind. Diesen mannigfaltigen Blick in die Zukunft, während man in die Vergangenheit schaut, ermöglicht dieser Architekturführer.
 
Christoph Hölz / Klaus Tragbar / Veronika Weiss (Hg.), Architekturführer Innsbruck. Architectural guide Innsbruck, Deutsch und Englisch, Illustrationen, Karten, Pläne
Innsbruck: Haymon Verlag 2017, 279 Seiten, 24,90 €, ISBN 978-3-7099-7204-5


Weiterführender Link:
Haymon Verlag: Christoph Hölz / Klaus Tragbar / Veronika Weiss (Hg.): Architekturführer Innsbruck

 

Helmuth Schönauer, 03-12-2017

Bibliographie

Buchtitel

Architekturführer Innsbruck. Architectural guide Innsbruck

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Haymon Verlag

Herausgeber

Christoph Hölz / Klaus Tragbar / Veronika Weiss (Hg.)

Seitenzahl

279

Preis in EUR

24,90

ISBN

978-3-7099-7204-5

Kurzbiographie AutorIn

Die Herausgeber arbeiten am Archiv für Baukunst, Universität Innsbruck.