Hannes Hofinger, St. Johann in Tirol

hannes hofinger,st. johann in tirolEin guter Bildband springt wie von selbst in die Hand und gibt sich als Spielanleitung für jede Witterung zu erkennen. Einen Bildband wird man im Idealfall nur dann wieder los, wenn man seine Wege nachgeht und sich an den Abweichungen zwischen Bildband-Bild und eigenem Flanier-Bild ergötzt. Nach einer augenzwinkernden Theorie gehen alle Spaziergänger letztlich einem individuellen Bildband nach.

Hannes Hofinger hat das für ihn Naheliegende zu einem Bildband transformiert, das bunte St. Johann in Tirol.

Im Innenumschlag ist der Ort als überdimensionale Straßenkarte dargestellt, wie man sie heutzutage in Navi-Time kaum noch zu Gesicht bekommt. Die Karte erinnert ein wenig an die Spielplatte eines „Menschärgeredichnicht“, und wahrscheinlich muss man sich als Autofahrer auch dementsprechend ärgern. Als Flaneur im Ortskern freilich ist man schier zeitlos unterwegs, und wenn man dabei noch das Museum streift, spielen Jahrhunderte keine Rolle mehr.

Vom Museum stammen auch die Beiträge zur Geschichte von St. Johann. Wenn man schnell mit dem Auge unterwegs ist, treten in der Chronik die Marienerscheinung und die erste Zahnradbahn ähnlich ins Bild, und beide werden zu gewissen Zeiten auch mit ähnlichem Gestus angebetet. Der historische Abriss ist auch in Englische, Französische und Italienische übersetzt.

Die Bildergalerie wird mit Panoramen eröffnet, es ist gar nicht so einfach, den ganzen Talkessel auf ein Bild zu kriegen zumal er restlos verbaut erscheint. Ähnlich voll wirkt übrigens die üppig ausgekleidete Kirche, wenn sie im Festbetrieb mit allerhand Trachtenträgerinnen aufgefüllt ist.

Die wichtigsten Straßen sind freilich im menschenleeren Zustand aufgenommen, was einen automatisch die Laufschuhe anziehen lässt, um sie entlang zu traben: Poststraße, Speckbacherstraße, Kaiserstraße.

Volle Stationen gibt es hingegen beim Knödelfest, wo der längste Knödeltisch der Welt aufgestellt ist. Wie lang so ein Knödeltisch sein kann, sieht man erst im Vergleich zur parallel aufgestellten Schützenkompanie, welcher im Verhältnis zu den Knödeln die Salutier-Männer ausgehen.

Kleinodien sind entweder im obersten Stockwerk der Brauerei versteckt, wo das legendäre Trinkstüberl mit Blick auf den Bahnhof die Gerstensaftexperten einen Zug um den anderen verpassen lässt. Die Einsiedelei hingegen überschüttet die Angewanderten mit einem eigenen Zeitbegriff und Sonnenlicht aus dem Jenseits. Gotische Glasfenster aus der Nikolauskirche in Weitau sind in einem ähnlichen Blau gehalten wie die frisch gespurte Loipe hinter der Haustüre.

Hannes Hofinger beschönigt nichts, lässt aber der Schönheit freien Lauf, wenn sie vor der Linse auftaucht. Sein Bildband hält der Wirklichkeit stand.

Hannes Hofinger, St. Johann in Tirol. Bildband
St. Johann: Verlag Hofinger 2017, 74 Seiten, 120 Farbfotos, 14,90 €, ISBN 978-3-9504205-1-7

 

Weiterführender Link:
Hofiner Verlag: Hannes Hofinger, St. Johann in Tirol

 

Helmuth Schönauer, 28-07-2017

Bibliographie

Erscheinungsort

St. Johann in Tirol

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Verlag Hofinger

Seitenzahl

74

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-9504205-1-7

Kurzbiographie AutorIn

Hannes Hofinger ist Buchhändler, Verleger, Autor und Bibliothekar in St. Johann/Tirol.