Luise Schorn-Schütte, Geschichte Europas in der Frühen Neuzeit

luise schorn-schütte_geschichte europas in der frühen neuzeit„Die Geschichte der europäischen Frühen Neuzeit ist faszinierend in ihrer Fremdheit – und vertraut in ihrer Nähe zur eigenen Gegenwart. In dieser Spannung bewegt sich die folgende Einführung und versucht damit einer Sichtweise der letzten Jahre zu weiterer Anerkennung zu verhelfen, die eine Reduzierung der europäischen Geschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts auf eine »Vorgeschichte der Moderne« für zu kurzschlüssig hält.“ (S. 9)

Nicht eine Geschichte der politischen Ereignisse oder eine Geschichte der Kriege steht im Mittelpunkt des Sachbuches „Geschichte Europas in der Frühen Neuzeit“, sondern die Auseinandersetzung mit den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen und deren Veränderungen in der Zeit zwischen 1500 bis 1789 - der Zeit zwischen Reformation und Französischer Revolution - und damit den Übergang von der mittelalterlichen Welt in unsere nahe Gegenwart.

In sieben Kapiteln nähert sich Luise Schorn-Schütte dem Thema „Frühe Neuzeit“ von verschiedenen Seiten und Themenstellungen an. Im ersten Kapitel „Grundlegung“ (S. 15) wird das Thema selbst zunächst eingegrenzt, indem bestimmt wird, was unter Epochenbegriff „Frühe Neuzeit“ zu verstehen ist und was die wesentlichen Aspekte der Epoche ausmacht, die nicht überall in Europa gleich stark und gleichzeitig aufgetreten sind.

„Prozesse und Strukturen“ (S. 29) wendet sich zunächst den gesellschaftlichen Grundlagen der Frühen Neuzeit zu und beschreibt den Haushalt als „Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft“, wobei die Idee vom „Ganzen Haus“ als Leitbild und Mittelpunkt wirtschaftlichen Lebens, mit seiner Verbindung von Haus und Betrieb, vorgestellt wird. Ein Bild, das in der Neuzeit auch als Vorbild für die Struktur von Herrschaft diente. Weitere Themen dieses Kapitels sind die der Zustand und die Veränderung der „Wirtschaftsordnungen“ in der Landwirtschaft, der gewerblichen Produktion, im europäischen Handel und der Weltwirtschaft. Anschließend wird die „Ständische Gesellschaft im Wandel“ beschrieben, wobei die verschiedenen Stände vom Adel, der Geistlichkeit, dem Bürgertum und der Stadtgesellschaft sowie den Bauern und der ländlichen Gesellschaft, aber auch das Militär und die Armen und Außenseiter der Gesellschaft gebührend charakterisiert werden.

Das dritte Kapitel „Zwischen »Ständestaat« und »Absolutismus«: Herrschaftsbildung und Herrschaftsformen“ (S. 101) stellt verschiedene Herrschaftsformen der Frühen Neuzeit vor, wobei gleich zu Beginn die Frage untersucht wird, ob es in der „Frühen Neuzeit überhaupt einen Staat“ (S. 101) gab. Als Herrschaftsformen der Frühen Neuzeit werden zunächst „Republiken und Republikanismus“ am Beispiel von deutschen Reichsstädten, der Schweiz und italienischen Stadtstaaten, aber auch in abgeschwächter Form in den Niederlanden, sowie England und Polen vorgestellt.

Als zweite Herrschaftsform stehen die „Mischverfassungen“ im Mittelpunkt, die am Beispiel Englands und des Heiligen Römischen Reichs ausführlich erläutert werden. Im Abschnitt „Monarchien oder: Gab es »den« Absolutismus?“ wird zunächst der Begriffsbestimmung des „Absolutismus“ und anschließend dessen Erscheinungsformen in Frankreich, Spanien und Portugal sowie in Brandenburg-Preußen und in Österreich aufgezeigt.

Ein eigener Abschnitt setzt sich mit den theoretischen Grundlagen der „Rechtfertigung monarchischer Einherrschaft“ (S. 169) auseinander und zeichnet das Denken von Staatstheoretikern wie Niccolo Machiavelli, Giovanni Botero, Justus Lipsius, Jean Bodin, Thomas Hobbes und John Locke nach. Aber auch Mischverfassungen und republikanische Verfassungen werden breit diskutiert und reichen von Machiavellis „Discorsi“ bis Montesquieus „De l’Esprit de lois“, in der die Freiheit durch Begrenzung der Macht und Gewaltenteilung gesichert werden soll.

Das vierte Kapitel „Traditionsbrüche und Wertewandel: Frühneuzeitliche »Rechtfertigungsnarrative«“ (S. 189) geht am Beispiel verschiedener europäischer Staaten der Frage nach, ob die Reformation als radikaler Umbruch oder als Teil eines langfristigen Wandels zu betrachten sei, der schließlich in der Französischen Revolution seinen Höhepunkt finden sollte.

Kapitel „Frühneuzeitliche Gesellschaften in ihren Grenzen“ (S. 263) beschreibt unterschiedliche gesellschaftliche Erscheinungsformen wie z.B. die Lebensphasen von Kindheit bis Alter, Bildung, Wissenschaft, Kommunikation, Regionalität und Identität, Patriotismus, Nationalismus sowie Außenpolitik und internationale Politik. Im sechsten Kapitel „Die »Europäisierung« der Welt: Die Anfänge europäischer Koloniebildungen“ kommen die Entdeckungsfahren, die Kolonialpolitik und der Aufbau von Kolonialreichen durch Portugal, Spanien, die Niederland, England und Frankreich zur Sprache. Das abschließende Kapitel „Ausblick: Schlüsselthemen der europäischen Frühen Neuzeit“ (S. 351) zeigt aktuelle Fragestellungen und Bewertungen der Forschung zur Frühen Neuzeit auf, die durch veränderte Interessenlagen der Gegenwart begründet sind, wie z.B. die Wahrnehmung eines geeinten Europas, die Beziehung zwischen Tradition und Moderne oder das Verhältnis zwischen Religion und Politik.

Der Anhang bietet Stammtafeln der wichtigsten europäischen Herrscherhäuser der Frühen Neuzeit, ein ausführliches Glossar der wichtigsten Fachbegriffe von „Alteuropa“ bis „Zwei-Reiche-Lehre“ sowie eine umfangreiche Bibliographie und ein Sachregister.

Das umfangreiche Sachbuch zu den Grundzügen der Frühen Neuzeit richtet sich sowohl an Studenten als auch an ein historisch interessiertes Publikum und bietet eine fundierte Einführung in die politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Grundlagen dieser Epoche. Die klare Strukturierung, die verständlichen Ausführungen und die Erklärung zentraler Begriffe der Forschung öffnen die Darstellung für ein breites Publikum. Dabei werden auch verschieden Sichtweisen und Position auf Fragen zum Thema anhand von Fakten und Interpretationen ausführlich behandelt, ohne ein abschließendes Urteil zu fällen.

Ein überaus empfehlenswertes Geschichtsbuch, das einen großen Bogen zu den zentralen Fragen und Themen der Frühen Neuzeit zu spannen vermag und gleichzeitig spannende neue Einblicke und Einsichten in diese Epoche vermittelt.

Luise Schorn-Schütte, Geschichte Europas in der Frühen Neuzeit. Grundzüge einer Epoche 1500-1789, mit 192 Abb.
Paderborn: UTB (Ferdinand Schöningh Verlag) 2019, 3. Aufl., 422 Seiten, 36,00 €, ISBN 978-3-8252-8740-5

 

Weiterführende Links:
UTB Verlag: Luise Schorn-Schütte, Geschichte Europas in der Frühen Neuzeit
Wikipedia: Luise Schorn-Schütte
Uni-Frankfurt: Quellen und Materialien zur Geschichte Europas in der Neuzeit

 

Andreas Markt-Huter, 11-09-2019

Bibliographie

AutorIn

Luise Schorn-Schütte

Buchtitel

Geschichte Europas in der Frühen Neuzeit. Grundzüge einer Epoche 1500-1789

Erscheinungsort

Paderborn

Erscheinungsjahr

2019

Verlag

UTB / Ferdinand Schöningh Verlag

Reihe

UTB-Band 8414

Seitenzahl

422

Preis in EUR

36,00

ISBN

978-3-8252-8740-5

Kurzbiographie AutorIn

Dr. Luise Schorn-Schütte war von 1998 2015 Professorin für Neuere Allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Frühen Neuzeit an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.