Wolfgang Lenhard, Leseverständnis und Lesekompetenz
„So schillernd und faszinierend die Welt des geschriebenen Wortes ist, so komplex sind seine Bedingungen, Einflüsse und auch Voraussetzungen für verstehendes Lesen auf individueller Ebene. Dieses Buch hat das Ziel, diese Faktoren zu erarbeiten und zu erörtern, wie man sie diagnostizieren kann (und wie man besser nicht vorgehen sollte).“ (S. 13)
Es gibt heute fast keinen Beruf mehr, der ohne grundlegende Lesekompetenzen auskommt, sodass sich mangelnde Lesefähigkeiten spürbar auf die Arbeit und die Chancen im Beruf auswirken. Aber auch im privaten Bereich bringt eine fehlende Lesekompetenz einen großen persönlichen Verlust an gesellschaftlicher, politischer und kultureller Teilhabe.
In drei Kapiteln geht Wolfgang Lenhard der Frage nach der Diagnostik und der Förderung von Leseverständnis und Lesekompetenz nach. Dazu wird im Kapitel „Leseverständnis und Lesekompetenz – Was ist das?“ zunächst abgeklärt, welche Prozesse beim Lesen und der Entwicklung von Leseverständnis ablaufen und ineinandergreifen. Auf niederer Hierarchieebene stehen Wörter, das Entschlüsseln der Syntax, sowie die Beziehung zwischen Sätzen und Satzteilen im Mittelpunkt. Auch hoher Hierarchieebene wird das eigene Vorwissen in die übergeordnete Rahmenhandlung eingefügt. Dazu gehört die Anwendung von Lesestrategien, die eigene Kontrolle des Verständnisses, die Herstellung globaler Zusammenhänge und Schlussfolgerungen, die über den Text hinausgehen. Dabei ist zu beachten, dass viele Prozesse nicht in einer strengen Abfolge, sondern parallel ablaufen.
In Bezug auf die Lesekompetenz werden verschiedene Aspekte unterschieden, wie leserbezogene Aspekte zu denen die individuellen Voraussetzungen der Leser gehören oder deren Aktivitäten beim Lesen. Daneben spielen die textbezogenen Aspekte, wie Leseanforderung und Merkmale eines Textes eine zentrale Rolle sowie auf sozialer Ebene die Kommunikation über das Gelesene in der Schule in Peer Groups u.a. Bereichen.
Als weiteren wesentlichen Einflussbereich auf die Lesekompetenz werden familiäre Voraussetzungen wie Migrationsstatus, Bildungsniveau der Eltern, kultureller und sozialer Status der Familie u.a. genannt, aber auch individuelle Voraussetzungen der Leserinnen und Leser wie Geschlecht, Motivation, thematisches Interesse u.a.
Dass für den Bereich des schulischen Unterrichts die Lehrkräfte zunächst über den Stand ihrer Schülerinnen und Schüler beim Leseverständnis und der Lesekompetenz Bescheid wissen sollte, zeigt das Kapitel „Diagnostik“ ebenso auf, wie den gezielten Einsatz testdiagnostischer Verfahren. Dabei werden u.a. „informelle Diagnostik“ und „normierte und standardisierte Verfahren“ miteinander verglichen und ihre Vor- und Nachteile aufgezeigt. Bei der Anwendung von Kompetenzstufenmodellen werden ihre Möglichkeiten und Grenzen aufgezeigt.
Weitere Themen sind die Ermittlung der Leseflüssigkeit, das Erfassen des Leseverständnisses sowie ein Überblick über verschiedene standardisierte Diagnoseverfahren zur Erfassung der Leseflüssigkeit, zum Leseverständnis und von Lesestrategiewissen.
Im abschließenden Kapitel „Förderung von Leseverständnis und -kompetenz“ stehen nach der Diagnose die Fördermaßnahmen im Mittelpunkt, die in verschiedenen Altersstufen zum Einsatz kommen und von Maßnahmen in der Vorschule, über die Grundschule bis hin zur Leseförderung in der Sekundarstufe reichen. Neben Vorlesen, Ausbau des Wortschatzes und unterschiedlichen Methoden kommen auch motivationsfördernde Maßnahmen, Lesetraining, Förderprogramme und die Vermittlung von Lesestrategien zur Sprache.
Wolfgang Lenhards „Leseverständnis und Lesekompetenz“ zum Thema Leseförderung zeichnet sich durch eine klare Struktur und verständliche theoretische Darlegungen aus, die anhand zahlreicher Beispiele praktisch erklärt werden.
Ein überaus empfehlenswertes Sachbuch, das den Prozess des Verstehens beim Lesen anhand zahlreicher Theorien und Modelle verständlich näherbringt, aufzeigt, wo Diagnostik und Förderprogramme gezielt ansetzen können und wo die besonderen Bedürfnisse von schwachen Leserinnen und Lesern liegen.
Wolfgang Lenhard, Leseverständnis und Lesekompetenz. Grundlagen - Diagnostik – Förderung, aus d. Reihe: Lehren und Lernen, hrg. v. Andreas Gold / Cornelia Rosebrock u.a.
Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2019, 172 Seiten, 24,70 €, ISBN 978-3-17-035017-5
Weiterführende Links:
Kohlhammer Verlag: Wolfgang Lenhard, Leseverständnis und Lesekompetenz
Universität Würzburg: Prof. Dr. Wolfgang Lenhard
Andreas Markt-Huter, 14-10-2019