Christos Chryssopoulos, Parthenon

parthenonKann etwas durch Zerstören entstehen? Kann ein Kunstwerk ohne Zerstörung vollkommen sein? Kann im Terror ein Sinn innewohnen?

In Christos Chryssopoulos Roman wird das Parthenon in Athen gesprengt und ein mutmaßlicher Attentäter wird stracks hingerichtet. Im Original ist von der Zerstörung oder Dekonstruktion des Parthenon die Rede. In der durch die Romantik schön gefärbten Griechenwelt der Deutschen tritt nur mehr das Parthenon selbst im Titel auf, seine fiktive Zerstörung will man der deutschen Touristenseele nicht zumuten.

Von den Tausenden Möglichkeiten, sich mit einem Kunstwerk auseinanderzusetzen, ist die Sprengung natürlich die radikalste. Im Roman wird diese Sprengung wie in einem üblichen Kunstführer aufbereitet. In zwölf Kapiteln kommt im Stile eines Handbuchs die Vernichtung des Kunstwerks und die anschließende Vernichtung des Täters zur Sprache. Am Schluss ist quasi alles auf null gestellt, aber der Leser ist ziemlich irritiert.

In einem möglichen Monolog stellt der Täter ein paar Motive vor, er spricht von einer Welle, die ihn Richtung Parthenon treibt, von dem er nicht mehr loskommt. Dabei stößt er auf die Schriften des griechischen Autors Jorgos Makris, der anlässlich der Besetzung Griechenlands durch die Deutschen 1943 zum Widerstand aufruft und dabei vorschlägt, sich des Parthenons gleich mit zu entledigen. Diese antike Götterstätte ist zwar ein Nationalheiligtum, gleichzeitig aber auch entfremdete Ikone für die Besatzer.

Der Monolog des Täters „Ch. K.“ wird ergänzt durch mögliche Zeugen, Stellen aus der Literatur, Fundstücke und diverse Verformungen der Nachricht selbst. Denn schon kurz nach der Sprengung verselbständigt sich die Meldung und setzt ihrerseits wieder jede Menge Irritationen und Sprengungen der Logik in Umlauf.

Das „Aufarbeiten“ eines Attentats beginnt mit seiner Beschreibung. Fundstücke werden nummeriert und zu kleinen Geschichten ausgebaut. Ein Täter wird so lange gesucht, bis eine passende Figur verhört werden kann. Es werden umfangreiche Listen von Mittätern angelegt, die freilich als Leerstelle ins Protokoll eingehen, weil der Täter niemanden hat, den er denunzieren könnte.

Makaber sind auch die inneren Monologe, mit denen die Soldaten des Hinrichtungskommandos noch vor der Exekution ihr Handeln relativieren und schönreden. Obwohl niemand auf den Delinquenten zielt, sackt dieser gut getroffen in den Sand.

Das Handbuch der Sprengung endet mit einer kurzen Moral von der Geschichte. Das Parthenon wurde gesprengt, der Täter exekutiert, die Aussagen im Verhör sind verlorengegangen, mit dem Neubau des antiken Tempels wurde begonnen.

Diesen parabelhaften Roman kann man als Matrix für viele Geschichten lesen, als heroische Leistung, politische Verblendung, nationalistische Ungeheuerlichkeit. Und hinter den politischen Schutzanstrichen geht es auch um den Umgang mit der eigenen Geschichte. Muss man sich nicht geradezu freisprengen, wenn man so schweres Marmorgut auf dem Rücken zu tragen hat? Und was nützt einem der schönste Tempel, wenn man in seinem Schatten nichts zu fressen hat? - Ein griechischer EU-Roman.

Christos Chryssopoulos, Parthenon. Roman. A. d. Neugriech. von Theo Votsos
Innsbruck: Haymon Verlag 2018, 97 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-7099-3419-7

 

Weiterführende links:
Haymon Verlag: Christos Chryssopoulos, Parthenon
Wikipedia: Christos Chryssopoulos

 

Helmuth Schönauer, 24-02-2018

Bibliographie

AutorIn

Christos Chryssopoulos

Buchtitel

Parthenon

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Haymon Verlag

Übersetzung

Theo Votsos

Seitenzahl

97

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7099-3419-7

Kurzbiographie AutorIn

Christos Chryssopoulos, geb. 1968 in Athen, lebt in Athen.