Dagmar Comtesse u.a. (Hg.), Radikale Demokratietheorie. Ein Handbuch

dadmar comtesse, radikale demokratietheorie„Das vorliegende Handbuch dient genau diesen beiden Zwecken: Auf der einen Seite kann es als ein Glossarium der Diskurse über radikale Demokratie gelesen werden, auf der anderen Seite glättet es aber die teils erheblichen Differenzen nicht, sondern sucht stattdessen die wesentlichen Kontroversen auszuleuchten.“ (S. 16)

Wer heute für gewöhnlich über Demokratie nachdenkt, hat für gewöhnlich die demokratischen Einrichtungen wie Parlament, Wahlen, Repräsentation u.a. Mittel der demokratischen Entscheidungsfindung im Visier. Das Sachbuch „Radikale Demokratietheorien“ hingegen stellt unterschiedliche Vorstellungen von demokratischer Teilhabe, theoretische Ansätze gesellschaftlich-demokratischen Aufbaus vor, präsentiert aber auch die Kritik wichtiger Denker an verschiedenen demokratischen Theorien und konkreten Ausformungen scheinbar demokratischer Gesellschaftsordnungen.

Das umfangreiche Sachbuch „Radikale Demokratietheorie“ setzt sich in mehr als achtzig Beiträgen von knapp fünfzig verschiedenen Autorinnen und Autoren mit den vielfältigen Aspekten radikal demokratischen Denkens und dessen Theorien auseinander. Dabei wird zunächst im ersten Teil „Ideengeschichte/Geschichte/Traditionslinien“ den Vorläuferinnen und Vorläufern radikaldemokratischen Denkens nachgegangen, wie z.B. Niccolò Machiavelli, Jean-Jaques Rousseau, den Anti-Federalists, John Dewey oder Hannah Arendt. Weitere Aufsätze beschäftigen sich mit den zahlreichen Inspirationsquellen wie Hegel, Thoreau, Freud, Wittgenstein, Althusser oder Foucault. Aber auch Autorinnen und Autoren jenseits des üblichen Kanons zur Demokratietheorie finden Beachtung wie die Suffragetten, Frederick Douglass oder Gustav Landauer.

Der zweite Teil: „Aktuelle Positionen“ stellt Theorien und Vorstellungen von knapp dreißig Autorinnen und Autoren vor, die sich aus den verschiedensten Bereichen der Demokratie annähern. Darunter findet sich die Vorstellung von der politischen Philosophie als Aufruf zum Handel, wie sie von Miguel Abensour vertreten wird ebenso wie Slavoj Zizeks grundlegende Kritik an der liberaldemokratischen Demokratie der Gegenwart, die nurmehr Scheinwahlen offenlässt. Daneben werden auch Thesen von Philosophinnen und Philosophen wie Wendy Brown, Gilles Deleuze, Jacques Derrida, Ingeborg Maus, John P. McCormick u.a. präsentiert.

Ein dritter Teil „Grundbegriffe“ diskutiert zunächst zentrale Begriffe wie „Demokratie“, „Demos/Volk“, „Dissens/Konflikt/Kampf“, „Entscheidung“, „Freiheit/Gleichheit“, „Gouvernementalität“, „Kontingenz/Grundlosigkeit“, „Politik und Politisches“ u.a. Im Abschnitt „Themenfelder“ werden Fragen zur Gerechtigkeit, Grenzen, Ordnung, Ordnungslosigkeit, Partizipation, Pluralismus, Staatsbürgerschaft und Zugehörigkeit innerhalb radikaldemokratischen Denkens erörtert.

Der vierte und letzte Teil “Diskussionen und Kontroversen“ stellt verschiedene Auseinandersetzungen demokratiephilosophischen Denkens vor, wobei es zu Beginn um die Grundlagen der Demokratie geht und stellt die „intensive versus grundlose Demokratie?“ gegenüber. Weiter Gegensatzthemen sind u.a. „Verteidigung versus Befragung der Moderne?“, „Kritik oder Radikalisierung des Liberalismus“, sowie „Republikanismus und radikale Demokratietheorie.

„Radikale Demokratietheorie“ bietet einen umfangreichen Überblick und Einblick in radikaldemokratisches Denken sowie zu Ideen, dieses Denken inspiriert oder beeinflusst haben. Die kurz und verständlich gehaltenen Beiträgen inspirieren sich mit verschiedenen Einzelthemen und Autorinnen oder Autoren detaillierter auseinanderzusetzen.

Ein überaus empfehlenswertes und lesenswertes Sachbuch, das die gängigen Auffassungen zum Thema „Demokratie“ erweitert und die Frage nach dem politischen und demokratischen als offene Vorstellungswelt erweckt und ins Gedächtnis ruft.

Dagmar Comtesse / Oliver Flügel-Martinsen / Franziska Martinsen / Martin Nonhoff (Hg.), Radikale Demokratietheorie. Ein Handbuch. Aus der Reihe: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 2248
Frankfurt a. Main: Suhrkamp Verlag 2019, 832 Seiten, 30,90 €, ISBN 978-3-518-29848-0

 

Weiterführender Link:
Suhrkamp Verlag: Radikale Demokratietheorie. Ein Handbuch

 

Andreas Markt-Huter, 09-06-2020

Bibliographie

AutorIn

Dagmar Comtesse / Oliver Flügel-Martinsen / Franziska Martinsen / Martin Nonhoff u.a.

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2019

Verlag

Suhrkamp Verlag

Herausgeber

Dagmar Comtesse / Oliver Flügel-Martinsen / Franziska Martinsen / Martin Nonhoff

Reihe

Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 2248

Seitenzahl

832

Preis in EUR

30,90

Kurzbiographie AutorIn

Dagmar Comtesse ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Exzellenzcluster »Normative
Ordnungen« der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Oliver Flügel-Martinsen ist Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der
Universität Bielefeld.

Franziska Martinsen ist Privatdozentin am Institut für Politikwissenschaft der Leibniz
Universität Hannover.

Martin Nonhoff ist Juniorprofessor für Politische Theorie, Institut für Interkulturelle und
Internationale Studien an der Universität Bremen.