Lesen von Sachtexten im Unterricht – Teil 1
Wenn es um Leseförderung im schulischen Unterricht geht, denken die meisten an den Deutschunterricht und an literarische Texte. Dabei kommt Sachtexten in allen Schulfächern und ganz besonders in der Sekundarstufe eine zentrale Bedeutung im Unterrichtsgeschehen zu.
Wer von Sachtexten im Schulunterricht hört, denkt meist an informierende Texte, wie sie in Schulbüchern überwiegend zu finden sind. Wenig beachtet werden Sachtexte, die an die Leser appellieren oder sie instruieren, Sachtexte, die verpflichten sollen, wie z.B. Schulordnungen. Eine geringe Rolle spielen auch Urkunden oder Zeugnissen sowie Sachtexte mit gesellschaftlichen Kontaktfunktionen, wie z.B. Danksagungen, Kondolenzschreiben u.a.
Während informierende Textsorten im schulischen Unterricht häufig anzutreffen sind, kommt den meisten anderen Sachtextsorten vor allem im Alltag eine wichtige Bedeutung zu. Dabei stellt der richtige Umgang mit den unterschiedlichsten Arten von Sachtexten eine wichtige Aufgabe der schulischen Allgemeinbildung dar.
Zu den häufigsten Sachtextformen, die im Unterricht verwendete werden, gehören informierende Sachtexte, die Sachverhalte mitteilen, die informieren, unterrichten oder Themen konkretisieren wollen. Dazu zählen Textsorten wie Abhandlungen, Berichte, Beschreibungen, Essays, Buchtipps, Glossen, Protokolle oder Sachbücher. Lehrtexte dienen als Lehr- und Lernmedium im schulischen Bereich. Sie sind didaktisch aufbereitet und auf das entsprechende Fach ausgerichtet. Sachtexte nicht spezifisch für die Schule verfasst, sondern müssen für ihre Verwendung im Unterricht erst entsprechend verarbeitet werden.
Für die Analyse von Sachtexten im Unterricht gilt es zunächst verschiedene Parameter zu untersuchen wie z.B. die Funktion, die dem Text zukommt oder der kommunikative Kontext, in dem der Text steht. Handelt es sich um einen privaten, öffentlichen oder offiziellen Text? Und an ist der Text adressiert? Soll mit dem Text eine konkrete oder eine unbestimmte Person angesprochen werden? Benötigt der Text ein spezifisches Vorwissen oder zielt er auf bestimmte Vorlieben ab? Weitere Kriterien eines Sachtextes, die es zu bestimmen gilt, sind seine Qualität, die Art und der Umfang des Textes, Weise der Wissensvermittlung und die Anzahl der angeführten Themen.
Auch Zeitungen gehören zu den Sachtexten, die den Schülerinnen und Schülern
im Alltag ständig begegnen werden. Foto: Max Tscheloth,Tibs-Bilderdatenbank
Weiter Aspekte der Textanalyse sind die Techniken der Aufbereitung des Themas. Hier gilt es zu untersuchen, ob der Sachverhalt beschreibend, erklärend, rechtfertigend oder erzählend vermittelt wird. Handelt es sich um eine vollständige oder reduzierte Darstellung? Ist sie sachlich oder wertend, bietet sie verschiedenen Perspektiven bzw. Autoren oder ist sie einseitig? Auch in Bezug auf die sprachlichen und nichtsprachlichen Mittel eines Sachtextes lassen sich unterschiedliche Merkmale in Bezug auf die textliche Darstellung, die schriftliche Gestaltung, die Verwendung bildlicher Formate und die didaktische Aufbereitung finden.
Sachtexte für Kinder z.B. orientieren sich an den sprachlichen und geistigen Fähigkeiten der jeweiligen Altersgruppen und sind meistens didaktisch aufbereitet. Auch die Textlänge, das Layout und der sprachliche Aufbau, wie Wortschatz, Satzlänge und ähnliches richten sich nach dem Alter der Leserinnen und Leser.
Die gezielte und bewusste Auseinandersetzung mit Sachtexten, die nicht für den Unterricht aufbereitet worden sind, kann vor allem im Deutschunterricht helfen, lesedidaktische Ziele umzusetzen und das Verständnis von Sachtexten in anderen Unterrichtsfächern zu fördern. Ergänzend dazu macht aber auch die didaktische Auseinandersetzung mit spezifischen Texten in anderen Fächern Sinn, was sich am besten in einem fächerübergreifenden Unterricht umsetzen lässt. Für den Deutschunterricht ist es wichtig, den Schülerinnen und Schülern möglichst viele unterschiedliche Textsorten näherzubringen und deren Eigenheiten und Merkmale vorzustellen und diese unterscheiden zu lernen.
Wenn es darum geht, welche Sachtexte Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeit lesen, ergibt sich eine klare Diskrepanz zwischen den gelesenen Textsorten im schulischen Unterricht und im Freizeitbereich.
Während Internetseiten bei Jugendlichen mit einer Nennung von 69% aller Befragten für den Bereich „Freizeit“ eine überdimensionale Bedeutung spielen, werden sie im Bereich „Schule“ hingegen überhaupt nicht genannt. Beim TV-Programm liegt das Verhältnis Freizeit zu Schule mit 66% zu 8%, bei Werbung 60% zu 11%, beim Kinoprogramm 52% zu 5%, bei Tageszeitungen 50% zu 11%, bei Jugendzeitschriften 47% zu 6%, bei Rezepten 36% zu 8%, bei PC-Zeitschriften 30% zu 3%, bei Bedienungsanleitungen 18% zu 4%, bei Lexika 28% zu 13% und bei Sachbüchern 30% zu 34%. (Vgl. Baurmann, S. 29 f)
Diagramm Sachtexte Schule / Freizeit. Markt-Huter
Betrachtet man die Zahlen der Befragung herrscht im Leseverhalten bei Sachtexten lediglich im Bereich der Sachbücher eine Übereinstimmung zwischen Freizeit und Schule, während sonst Textsorten, die für Jugendlichen in ihrer Freizeit interessant sind, im Bereich der Schule wenig Berücksichtigung finden.
Dabei lasse sich auch Unterschiede zwischen den Altersgruppen festmachen. So bevorzugen Kinder vor allem Bücher, die spannend und fantasieanregend sind. Ab dem Alter von ca. zwölf Jahren wenden sich Jungs immer stärker sachorientierter Lektüre zu, während Mädchen eine deutliche Vorliebe für fiktionale Jugendliteratur und Unterhaltungsliteratur zeigen.
Sachtexte in Kombination mit Bild, Ton, Film und Links im Internet
Bei sogenannten „Hypertexten“, also Texten die mit anderen Texten, Bildern, Filmen und Audio-Dateien verlinkt sind lassen sich verschiedene Verknüpfungsmöglichkeiten und Ebenen der Rezeption unterscheiden. So ist von einer Kette die Rede, wenn die Elemente des Hypertextes linear verbunden sind, also einen klaren Anfang und ein klares Ende aufweisen. Ein Kreis zeigt weder Anfang noch Ende, ein Stern bietet von einem gemeinsamen Ausgangspunkt neue Verbindungsmöglichkeiten, ein Baum weist eine hierarchische Struktur auf und ein Netz bietet Verknüpfungen zwischen allen Teilthemen.
Auswahl von Sachtexten für den Unterricht
Wesentlich für die Auswahl von Sachtexten sind Verständlichkeit, zu denen sprachlich-stilistische sowie kognitiv-inhaltliche Merkmale zählen, und motivierende Aspekte. Für den Umgang der jungen Leserinnen und Leser mit Sachtexten und das Verstehen der Inhalte spielen Kriterien wie sprachliche Einfachheit, eine klare Gliederung und Ordnung sowie Kürze und Prägnanz der Texte und lesemotivierende Stimulanzen eine wichtige Rolle.
Schülerinnen und Schülern bevorzugen vor allem informierende und appellierend-instruierende Texte, wobei Sachbücher, die gezielt zum Vertiefen der Lerninhalte in den Unterricht eingebunden werden, besonders beliebt sind. Daneben sollten im Unterricht aber auch gezielt verpflichtende und bewirkende Text, wie Verträge, Bescheinigungen, Urkunden, Vollmachten, Garantiescheine, Kostenvoranschläge u.a. behandelt werden, weil diesen gerade im Alltagsleben eine besondere Bedeutung zukommt.
Urkunden, Verträge, Kostenvoranschläge und ähnliche Sachtexte spielen
vor allem im Alltag von Erwachsenen eine wichtige Rolle.
Verständlichkeit von Sachtexten
Bei der Verwendung von Sachtexten im Unterricht muss die Verständlichkeit der Texte für die jeweilige Zielgruppe überprüft und wenig nötig didaktisch aufbereitet werden. Fachwörter und Fremdwörter sollten nicht durchwegs vermieden werden. Umsichtig eingeführt und entsprechend erklärt können sie die Rezeption von Texten zusätzlich anregen.
Ob bei der Auswahl von Sachtexten auch häufig Texte zu Themen herangezogen werden sollen, die den Schülerinnen und Schülern aus ihrer Freizeit vertraut sind und wo sie als Experten auftreten können, gilt es abzuwägen. Dies könnte unter Umständen als Versuch der Schule betrachtet werden, sich auch noch die Freizeit ihrer Schüler einzuverleiben.
Beim Lesen und Analysieren authentischer Sachtexte wie Zeitungen, Studien u.a. gilt es zu berücksichtigen, dass diese für jüngere Schülerinnen und Schüler aufbereitet werden müssen, um verständlich zu sein. Wobei manche Zeitungen auch spezielle Kinderformate anbieten, in denen Nachrichten speziell für junge Leserinnen und Leser verfasst sind. Wichtig ist, dass die Texte zwar aktuell sind, die Themen aber dennoch nicht allzu rasch an Bedeutung verlieren.
>> Lesen von Sachtexten im Unterricht – Teil 2
Quellle: Jürgen Baurmann, Sachtexte lesen und verstehen
Andreas Markt-Huter, 11-01-2022