Lina Hofstädter, Satansbrut

Buch-Cover

Diese alpinen Dörfer haben es oft faustdick hinter den Mauern! Während sie nach außen hin Postkarten-Ästhetik abstrahlen, werden unter der Tuchent der Schönheit die Seelen massakariert.

Lina Hofstädters Satansbrut geht einem tabuisierten Phänomen nach, dass sich nämlich gerade Jugendliche oft zusammenrotten und als Gegenfolie zur Welt der Erwachsenen einem oft durchaus perversen Kult frönen.

Im Roman Satansbrut recherchiert eine angehende Volkskundlerin als Ich-Erzählerin in einem alpinen Dorf, in dem es drunter und drüber geht. Während sie als Kellnerin getarnt mit den Einheimischen in Kontakt tritt, versucht sie wissenschaftlich alles über Gebräuche, Masken und geheime Kulte auszuforschen.

Bald einmal entdeckt sie in einem Graben die Leiche eines verschollenen Jugendlichen, dem man nachsagt, die halbe Jugend des Dorfes mit Drogen versorgt zu haben. Seine Freundin erweist sich als Eigenbrötlerin, und wie sich später herausstellt, hat sie auch allen Grund für ein hermetisch abgekapseltes Verhalten, schließlich ist sie die Tochter des Pfarrers.

Bei genaueren Recherchen stellt sich heraus, dass aus den diversen Häusern die alten Masken verschwunden sind, offensichtlich werden sie für seltsame Rituale gebraucht. Mit Fellen, Masken und Dildos wird letzten Endes Satan herausgefordert und besungen.

Wie tief musste der Katholizismus in den Gehirnen verankert sein, dass die hier beschriebenen Parodien ernst genommen werden konnten? Ein Analogieglaube: Wenn Gott auf diese Weise zu beschwören ist, muss Satan durch die Umkehrung zu fassen sein. (141)

Die Welt im Dorf ist letztlich so abenteuerlich im Untergrund in sich selbst verstrickt, dass die Erzählerin kaum noch zum wissenschaftlichen Aufarbeiten kommt. Die Praxis im Geheimen ist hundertmal stärker als alles, was über diese geheimnisvolle Welt an der wissenschaftlichen Oberfläche geschrieben wird.

Allmählich zeigt sich diese schicksalhafte Verknüpfung aus Erpressung, Totschlag, Bedrohung und Vertuschung. ?Glücklich, wer nicht im Dorf aufwachsen muss! (35)
?Satansbrut ist ein spannender Roman, der gerade durch die Verknüpfung von volkskundlichen Fakten und den realistischen Entgleisungen im Untergrund beklemmend wahr ist.

Wenn eine ganze Generation in einen geheimnisvollen mentalen Untergrund flüchtet, so ist das vielleicht die brutalste Gesellschaftskritik, zu der die Jugend fähig ist. Aber auch die offizielle Mythen-Schreibung ist voll von Verlogenheit und Vertuschung. Der einzige Ausweg besteht vielleicht in Aufklärung, die Masken müssen runter, wenn das Leben in einem kleinen Dorf funktionieren soll. Vielleicht aber sind kleine Dörfer ohnehin nicht ?menschlich besiedelbar. Satansbrut öffnet die Augen und lädt dazu ein, hinter die Masken zu blicken.

Lina Hofstädter, Satansbrut
Innsbruck: TAK 2011, 167 Seiten, 21,00 €, ISBN 978-3-900888-49-7

 

Helmuth Schönauer, 21-11-2011

Bibliographie

AutorIn

Lina Hofstädter

Buchtitel

Satansbrut

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

TAK

Seitenzahl

167

Preis in EUR

21,00

ISBN

978-3-900888-49-7

Kurzbiographie AutorIn

Lina Hofstädter, geb. 1954 in Lustenau, lebt in Sistrans.