Esther Bockwyt, Woke. Psychologie eines Kulturkampfs

esther bockwyt, woke„Der zentral vorgebrachte Anspruch der Bewegung, Diskriminierung und Unterdrückung von bestimmten Gruppen abbauen zu wollen, macht Wokeness auf den ersten Blick unangreifbar und attraktiv. Ihre Appelle nach Gerechtigkeit, Diversität oder Antirassismus sind positiv besetzt. Das macht ihr destruktives Potenzial viel schwieriger zu erkennen als das anderer radikalisierter Orientierungen.“ (S. 9)

Die sogenannte „Woke-Bewegung“ hat sich von ihrem Schwerpunkt an den Universitäten immer mehr in die breite Öffentlichkeit bewegt. Welche Theorien, Inhalte und Forderungen sich unter dem breiten Label „Woke“ finden lassen, was die psychologischen Hintergründe für die zunehmend aggressiver auftretenden Gruppierungen sind und welche Erklärungen und Hilfen die Psychologie dazu bieten kann, steht im Mittelpunkt des informativen Sachbuchs.

Im ersten Teil „Woke Welten“ werden zunächst die verschiedenen Bereiche woker Einflussnahme auf die Gesellschaft gezeichnet. Unter dem Begriff Wokeness fallen auch Begriffe wie „linke Identitätspolitik“ oder „Critical Social Justice“ deren verschiedene Strömungen auf die zugrundeliegende philosophische Richtung der „Postmoderne“ zurückgehen und sich durch die Theorie der „Intersektionalität“ untereinander verbinden.

Ausgehend von den USA übt das Denken der unterschiedlichen Bewegungen auch in Europa zunehmend Einfluss auf Politik und nahezu alle Bereiche der Gesellschaft aus.

Die Eroberung ist so umfassend, dass man sie kaum noch wahrnehmen kann – denn sie ist überall. (S. 16)

Der erste Teil setzt sich mit den Themen „Woker Anti-Rassismus“, „Geschlecht, Körper und Sexualität“, „Psychische Gesundheit“ und „Woke Kernelement“ auseinander. Dabei werden die grundlegenden Denk- und Verhaltensmuster dieser Bewegungen aufgezeigt, die mit Hilfe von Cancel-Culture, Political Correctness u.a. das Denken und Sprechen über gesellschaftliche Verhältnisse und die Sicht auf die Welt gezielt verändern wollen. Zu den zentralen Denkansätze zählt die Überzeugung, dass Sprache Realitäten schafft, weshalb ein besonderer Wert auf die korrekte Sprache und die Deutungshoheit über die Sprache gelegt wird. Dabei spielen moralisieren in Debatte und einengen des Diskursrahmens eine zentrale Rolle.

Der zweite Teil „Woke Psyche“ setzt sich mit den psychologischen Bewegründen der woken Bewegung auseinander, um die Grundlagen aber auch Folgen des woken Kulturkampfes aufzuzeigen. Dabei werden zunächst unterschiedliche grundlegende psychische Eigenheiten des Menschen aufgezeigt, die im woken Bereich häufig krankhaft übersteigert erscheinen wie Narzissmus, Hypersensibilität, zwanghaftes Verhalten und der Wunsch nach abgeschlossenen Systemen, Aggression und Lust an der Zerstörung, ein negativer Blick auf die Realität, eine Lust am Neuen sowie ein woker Gruppengeist, der Blick auf die Welt verzerrt.

Im dritten Teil „Zwei Seelen wohnen in jeder Brust! – Psychodynamik bipolarer Kräfte“ zeigt das grundsätzliche Bedürfnis der Menschen einerseits nach Sicherheit und andererseits nach Freiheit auf. Diese gegensätzlichen Bedürfnisse gilt es in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander zu halten.

Überschreitet jedoch diese Konfliktdynamik ein gesundes Ausmaß, entstehen unerbittliche Glaubenskämpfe … (S. 197)

Abschließend weist die Autorin darauf hin, dass eine Polarisierung des Denkens auf eine schwarz-weiß Wahrnehmung der Welt zu einer ungesunden, extremen Entwicklung führt, und wie wichtig es ist, die Gemeinsamkeiten wieder stärker in den Focus zu rücken, anstatt die Unterschiede in den Mittelpunkt zu stellen.

Esther Bockwyt bietet einen umfangreichen Überblick über die Entwicklung und theoretischen Grundlagen der woken Bewegung, sowie die verschiedenen Erscheinungen im politischen Spektrum. Dabei zeigt sie sowohl die Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die gesellschaftliche Entwicklung auf als auch die Möglichkeiten diese zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.

Eine solide psychologische Analyse der Anziehungskraft woken Denkens und psychischer Grundlagen, gibt Einblicke, wie es woken Bewegungen gelingen konnte, ein Übermaß an politischem und gesellschaftlichen Einfluss zu erlangen. Ein überaus informatives Sachbuch, das aktuelle gesellschaftliche Diskussionen verständlich zu vermitteln weiß und ihre psycholigischen Ursachen zu erklären versucht.

Esther Bockwyt, Woke. Psychologie eines Kulturkampfs
Neu-Isenburg: Westend Verlag 2024, 224 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-86489-444-2

 

Weiterführende Links:
Westend Verlag: Esther Bockwyt, Woke. Psychologie eines Kulturkampfs
Wikipedia: Esther Bockwyt

 

Andreas Markt-Huter, 22-004-2024

Bibliographie

AutorIn

Esther Bockwyt

Buchtitel

Woke. Psychologie eines Kulturkampfs

Erscheinungsort

Neu-Isenburg

Erscheinungsjahr

2024

Verlag

Westend Verlag

Seitenzahl

224

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-86489-444-2

Kurzbiographie AutorIn

Esther Bockwyt studierte Psychologie und Rechtspsychologie an den Universitäten Marburg, Köln und Bonn. Sie arbeitet als selbstständige psychologische Gutachterin und ist Inhaberin des diagnostisch tätigen Gutachterbüros Die Gutachterinnen. Als Autorin schreibt sie psychologische Fach- und Sachbücher. Gastbeiträge von ihr erscheinen periodisch in der Neuen Zürcher Zeitung. Dabei analysiert sie auch gesellschaftliche Entwicklungen aus einer psychologischen Perspektive.