Karl-Joachim Hölkeskamp, Theater der Macht
„Die ganze Welt ist eine Bühne – das ist nicht nur eine vielzitierte, ebenso universell wie beliebig verwendbare Sentenz aus William Shakespeares Wie es euch gefällt, sondern muss heute auf ganz neue Weise durchaus ernst genommen werden. Längst geht es um mehr und anderes als einen wohlfeilen programmatischen Anspruch irgendwelcher Propheten des sogenannten ‹performative turn› in den Kulturwissenschaften.“ (S. 15)
Karl-Joachim Hölkeskamp bietet in seiner umfangreichen Monographie einen tiefen Einblick in die politischen und sozialen Strukturen der Römischen Republik. Dabei stehen die symbolischen und rituellen Gesichtspunkte der politischen Kultur in Rom ganz speziell im Mittelpunkt. Gezeigt wird, wie durch öffentliche Inszenierungen und Rituale die Machtverhältnisse gefestigt und aufrechterhalten worden sind.
Zunächst zeigt Hölkeskamp die Bedeutung öffentlicher Inszenierungen, von Zeremonien und Spielen für die Veränderung und Festigung von Machtverhältnissen anhand historischer Beispiele von der Antike bis in die Neuzeit auf. Dabei bieten die großen Spektakel Ludwigs XIV. ebenso anschauliches Vergleichsmaterial wie die Feste und Rituale im Mittelalter oder der Antike.
Im politischen Leben Roms nahmen Rituale der Partizipation in der Verwaltung und bei Volksversammlungen einen zentralen Raum ein. Der römischen Elite bot sich die Möglichkeit sich selbst als Vermittler zwischen den Göttern und dem Volk zu inszenieren und sich dem Volk als Wohltäter zu präsentieren.
Dabei verweist Hölkeskamp auf die Bedeutung und Dynamik des Wettbewerbs in der römischen Republik, der einen Balanceakt zwischen den rivalisierenden Ambitionen der römischen Eliten nach mehr Macht und Einfluss einerseits und dem Versuch durch Konsens, die Stabilität der Gesellschaft nicht zu gefährden. In diesem Spiel um Macht und Stabilität spielten öffentliche Auftritte, Inszenierungen, Monumentalarchitektur, Statuen, Denkmäler, Inschriften, aber auch die Betonung moralischer Normen und Tugenden wie Tapferkeit, Pflichtbewusstsein eine zentrale Bedeutung für die symbolische Kommunikation der Eliten mit dem Volk. Thematisiert wird auch die Bedeutung der Integration der eroberten Gebiete und die Ausweitung der römischen Macht für Stabilität der Republik im Inneren aber auch die Einbindung der neuen Eliten in das römische System.
Den Stellenwert der Rituale zeigt Hölkeskamp am Beispiel des Amtsantritts und der Amtsführung der Consule und an den Symbolen der Lictoren auf. Weitere Themenbereiche sind die Paraden und Prozessionen zu Ehren der Götter und Helden der Republik und die verschiedenen Formen von Monumenten als Medien der Verewigung. Am Ende wird gezeigt, wie geschickt Augustus die verschiedenen Facetten der öffentlichen Inszenierung zur Festigung seiner Macht einzusetzen und neue Machtstrukturen in Rom einzuführen und zu festigen.
Hölkeskamps "Theater der Macht" gewährt einen tiefgehenden Einblick in die politische Kultur der Römischen Republik und legt dar, wie Rituale, Symbole und Inszenierungen zur Aufrechterhaltung der Machtverhältnisse beigetragen haben. Die detailreiche Analyse stellt die Bedeutung von Öffentlichkeit und Symbolik in den Mittelpunkt und lässt erkennen, dass die Macht in Rom nicht nur durch militärische oder ökonomische Mittel, sondern vor allem durch soziale und kulturelle Mechanismen abgesichert wurde.
Das überaus informative und lesenswerte Sachbuch überzeugt durch seine fundierte Analyse der römischen Gesellschaft, die anhand zahlreicher Beispiele untermauert wird. Die interessanten Exkurse zu anderen Gesellschaften und Epochen heben den Stellenwert öffentlicher Inszenierungen für gesellschaftliche Strukturen auf eine allgemeinere Ebene.
Karl-Joachim Hölkeskamp, Theater der Macht. Die Inszenierung der Politik in der römischen Republik, 79 Abb. und Grafiken und 4 Stammtafeln
München: C.H. Beck Verlag 2023, 710 Seiten, 49,90 €, ISBN 978-3-406-80693-3
Weiterführende Links:
C.H. Beck Verlag: Karl-Joachim Hölkeskamp, Theater der Macht
Wikipedia: Karl-Joachim Hölkeskamp
Andreas Markt-Huter, 07-10-2024