Ludwig Roman Fleischer, Dorf der Seele
Ludwig Roman Fleischer gehört zu den raren Autoren, die quasi im Alleingang die Gegenwartsliteratur neu schreiben. Alle gängigen Genres hat er mittlerweile aktualisiert.
Und ob es sich um unidyllische Weihnachtsgeschichten, den Schöpfungsbericht par excellence oder die verrückte Jubiläumsliteratur für eine öffentliche Einrichtung handelt, immer wird das literarische Genre in Frage gestellt und dann mit einem passenden Erzählportal upgedatet.
Im jüngsten Erzählband ?Dorf der Seele? geht es um das Kärntner Gmüat in der Weltgeschichte. Verkleidet als nette Nachmittagslektüre treten ungefragt Figuren auf und erklären alles über einen vagen Kärntner Mythos. Dabei müssen slawische Namen urig ins Deutsche transponiert, große Vorfahren wie Kaiser Karl auf regionale Bezugsgröße heruntergebeamt und philosophische Ur-Kerle wie Hegel auf die lokalen Gene zurückgeführt werden.
Tatsächlich sollen die Vorfahren Hegels aus Kärnten stammen, zumindest behauptet das der Dichter Wickerl, der die Erzählungen mit lockerer Hand zusammenhält, wie erfahrene Fuhrwerker einen Sechsspänner. Dichter Wickerl hat überhaupt ein unschlagbares Erzählprogramm in seinem Repertoire, wie alle Genies ist er freilich mäßig anerkannt. Nach seiner Erkenntnis besteht die Arbeit der Dichter darin, die äußere Wirklichkeit zu einer inneren umzulügen.
Dementsprechend authentisch benehmen sich die Figuren, ein ?Frauenfischer? etwa legt nach beinahe messianischer Vorlage Frauen flach, indem er sie auf sein flaches Niveau hinunterdrückt. Freilich scheitert er an seiner eigenen Impotenz und findet sich letzen Endes leicht verblödet in einer intellektuell flach gedrückten Gegend vor.
Ein Alltagsphilosoph erklärt die Welt vom Eigengeschmack aus und stellt das Dogma auf, dass nichts nach sich selber schmecken dürfe. Also die eigene Frau sollte man beim Geschlechtsverkehr ausblenden, den Geschmack der Sau aus dem Kotelett hinauswürzen, alles, was nach sich selber schmeckt tunlichst vermeiden.
Dichter Wickerl ist ebenfalls ein Genie des Alltags, geduldig sammelt er seinen Stoff, welcher in Kärnten tatsächlich als Wahnsinn vor der Haustüre zu wachsen scheint. Jeglicher Stoff fließt harmonisch zu einem Heimatwerk aus, wenn man ihn nur fließen lässt. Ab und zu greift Dichter Wickerl auch schelmisch ein und erklärt sich selbst auf einer Metaebene die Erzählkunst, was auch dem Leser zugute kommt.
?Die Wirklichkeit ist die Hefe von Wickerls Erzählungen, aber ihr Anteil an seinem belletristischen Erzählkuchen entspricht etwa dem Germanteil an einem Kärntner Reindling.? (12)
Ludwig Roman Fleischer, Dorf der Seele. Erzählungen aus der Kärntner Umgebung.
Klagenfurt: Sisyphus 2005. 131 Seiten. EUR 14,-. ISBN 3-901960-30-9.
Helmuth Schönauer, 26-06-2005