Bernhard Aichner, Nur Blau

Buch-Cover

Kunst kann verrückte Lebenswege auslösen und auch die Wege zur Kunst sind oft ziemlich verrückt. Im Mittelpunkt des Kunst-Road-Movies von Bernhard Aichner steht ein blaues Bild von Yves Klein.

Dieser Yves Klein, 1928 in Nizza geboren und 1962 in Paris gestorben, wurde in seiner kuren Karriere vor allem mit dem IKB (International Klein Blue) berühmt. Dabei werden Pigmente ohne Öl mit einem Fixativ aufgetragen und entwickeln ein unnachahmlich inniges Blau.

Im Roman macht sich eines dieser Bilder selbständig und löst wie in Schnitzlers Reigen künstlerische Verwirrungen großen Stils aus. Jo ist Klein-Bildfetischist, er sammelt und fälscht diesen Künstler und schreckt auch vor einem handfesten Überfall in Polen nicht zurück, wenn er nur das Original wieder in die Hände kriegt. Auf der Skala der Kunstbesessenheit steht am unteren Ende der Müllfahrer Olivier, der in der Hauptsache nach Müll stinkt aber dennoch wertvolle Dienste beim Transport von Kunst leistet.

Dazwischen gibt es homoerotische Partner, die vor allem durch dicke Zungen in fremden Mündern auffallen, einen Kokainbesessenen Abflieger, der das weiße Gold gerne in den Giga-Windeln gegen seine Inkontinenz verpackt.

Das weibliche Geschlecht ist im Text hingebungsvoll gepostet als chinesische Kellnerin, dicke Berta, romanische Wohnmobilistin Mirella und psychisch dunkel komponierte Anna. Dabei geht es immer nur um einen Farbfleck auf einer Leinwand, monochrome Titellosigkeit ist angesagt.

Die Figuren legen einen Staffellauf durch den halben Kontinent hin, als Sprinterstäbchen dient jeweils das Bild des Blaumalers. Die Handlung ist speedy geschnitten, die Episoden hören im Stile eines Fortsetzuzungsromans immer an der entscheidenden Stelle auf, um irgendwann in verzögertem Erzähltempo wieder neu los zu legen. Zusammengehalten werden diese Kapitel mit einer eigenen Zeitangabe, wie in der Fernsehserie „24 Stunden“ wird jeweils eingeblendet, wo die entsprechende Handlung gerade zeitlich im Spannungsbogen umgeht.

Bernhard Aichners Roman ist eine einzige Beschleunigung und hält sich nur vage an Raum und Zeit. Koks, Sex, Kunst und Lebensdrive jagen die Figuren jeweils bis an die eigene Grenze und katapultieren dann ihre Psychen aus den Bodys, die am Ende jeder Sequenz wie leer gelebte Dummys zurückbleiben.

In einer raffinierten Mischung aus Road-Movie, Kunstkrimi und psychologisch beschleunigtem Reigen sintern allmählich bunte Figuren aus der monochromen Zentrifuge der Zeit und verkünden die Botschaft: Dein Leben hat vielleicht einen Sinn, aber du musst dabei quirlig und schnell sein!

Bernhard Aichner, Nur Blau. Roman.
Innsbruck: Skarabaeus 2006. 216 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-7082-3200-3

 

Weiterführende Links:
Skarabäus-Verlag: Bernhard Aichner, Nur Blau
Biographie: Bernhard Aichner

 

Helmuth Schönauer, 27-03-2006

Bibliographie

AutorIn

Bernhard Aichner

Buchtitel

Nur Blau

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

216

Preis in EUR

EUR 19,90

ISBN

978-3-7082-3200-3

Kurzbiographie AutorIn

Bernhard Aichner, geb. 1972 in Osttirol, lebt in Innsbruck.