Susanne Schaber, Herr Hofer und sein Hosenträger

Buch-Cover

Gute Geschichten müssen immer wieder neu erzählt werden, bis entweder das Kind zu Hause eingeschlafen oder das Festpublikum im Gemeindesaal eingenickt ist, ehe dieses von Applaus und jenes vom Harndrang zur Unzeit geweckt wird.

Susanne Schaber erzählt die Tiroler Einschlafgeschichten, bei denen normalerweise das Festpublikum wegdöst, so frech und spritzig, dass man als Leser unbedingt wissen will, wie sie weitererzählt, obwohl diese Geschichten ja jedem Patrioten schon bekannt sind.

Oft ist es eine Nebensächlichkeit, die dann letzten Endes zur großen Geschichte führt. Die Autorin zeigt quasi zuerst den Schlüssel her, ehe sie diesen in das Schloss zur Schatztruhe steckt und aufsperrt.

Andreas Hofers Hosenträger sind so eine Kleinigkeit. Lange nach seinem Tod kommen sie zum Vorschein und werden dem Gedächtnisfundus einverleibt, bei dieser Gelegenheit gibt es dann augenzwinkernd den ganzen Hofermythos, wohltuend nüchtern erzählt, so dass man dem Schmatzen der Betroffenen zuhören kann, wenn sie die patriotische Suppe auslöffeln.

Der wahre Held der Tiroler Geschichte freilich ist Kaiser Maximilian, der den Kult der Übertreibung nach Tirol gebracht hat. Also immer auf der Jagd, immer mehr scheinen als sein, immer auf Balz, Krieg oder Hochzeitstournee, so wie eben heutzutage die Society-Gesellschaft in den Medien unterwegs ist. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir die historisch fundierte Geschichte von Kaiser Maximilian. Sein Bestreben, Innsbruck zur Weltstadt zu machen, ist ja halbwegs aufgegangen und wird seither von allen Bürgermeistern und Nachfahren der Verwaltung irgendwie rustikal-ironisch kopiert.

Trailer von der echten Alm oberhalb Mayerhofens, wo der Graukas in stinkigen Tropfen aufs Butterbrot rinnt, von einem Klaviermeister im Oberen Gericht, wo die würzige Almluft durch die Saiten pfeift, oder von Galtür, wo regelmäßig Jahrhundertlawinen abgehen und die Menschen hart und gläubig machen, erzählen jene Mythen, aus denen sich die Tiroler gerne schnitzen.

Fasnachtbräuche, Amokläufe im Jägersgewand und der dürre Arm Ötzis liefern den Stoff für plakative Inszenierungen des Heiligen Landes. Apropos heiliges Land, da wird ziemlich aufgeräumt mit der bigotten Frömmigkeit, die Tiroler können sehr brutal sein, wenn man ihnen ans Eingemachte des lieben Herrgotts geht.

Susanne Schaber erzählt die Mythen mit Feuer und Hingabe, mit Sorgfalt und Ironie und ist sich immer des Untertitels bewußt: Gratwanderungen erfordern nicht nur am Berg eine hohe Kunstfertigkeit, will man von Gipfel zu Gipfel gelangen, auch die Einstellung zur eigenen Geschichte und die Suche nach der aktuellen Wahrheit ist eine permanente Gratwanderung.

Auf und zwischen den Zeilen tut sich während der Lektüre allmählich jenes Fleisch auf, das von Hofers Hosenträgern nur mühsam über die Jahrhunderte zusammengehalten wird.

Susanne Schaber, Herr Hofer und sein Hosenträger. Tiroler Gratwanderungen.
Wien: Picus 2006, ( = Picus Lesereisen), 131 Seiten, EUR 13,90. ISBN 978-3-85452-911-8

 

Weiterführende Links:
Picus-Verlag: Susanne Schaber, Herr Hofer und seine Hosenträger

 

Helmuth Schönauer, 11-03-2006

Bibliographie

AutorIn

Susanne Schaber

Buchtitel

Herr Hofer und sein Hosenträger. Tiroler Gratwanderungen

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Picus

Seitenzahl

131

Preis in EUR

EUR 13,90

ISBN

978-3-85452-911-8

Kurzbiographie AutorIn

Susanne Schaber, geb. 1961 in Innsbruck, lebt in Wien.