Manche Begriffe lassen sich neu generieren, indem man sie in ihre Wortteile zerlegt wie die Glücksschweinrädchen in einem Glücksspielksautomaten. Die Wortteile sausen also als Zufallspartikel vor dem Auge ab und ergeben neue Begriffskonstellationen.

Renate Aichinger hat mit ihren gut zwanzig Geschichten und Gedichten die Welt atomisiert und aufgespalten in WELT.ALL.TAG. Die Protagonisten erleben dabei ihre Wahrnehmung als Fragmente eines Ganzen, das ihnen unerschlossen bleibt. Dennoch versuchen sie mit diesen kleinen Wahrnehmungen zurecht zu kommen und sich darin einzurichten wie in einer großen Welt.

Was macht eigentlich ein Dichter, wenn er nicht gerade auf der Bestenliste herum klettert und Interviews gibt? - Er spukt Blut und trinkt Bier.

Franz Xaver Kroetz schenkt seinen alt und kaputt gewordenen Protagonisten nichts, in den fünfzehn plus zwei Geschichten taucht fast immer der erfolgreiche Star aus früheren Zeiten auf. Meist sind es nur große Sätze, die aus dieser Epoche geblieben sind, große Sätze vom Schreiben, wenn etwa der Satz schon im Kopf da ist, aber noch ein paar Bier braucht, dass er in die Tastatur fallen kann.

Das Paradoxe ist oft so vage in der Selbstverständlichkeit versteckt, dass man es erst beim zweiten Hinsehen bemerkt. So gilt das Tunnelende, wenn man es von innen her anfährt, üblicherweise als hell, bei Tor Ulven hingegen geht die Finsternis des Tunnels fließend in die Dunkelheit seines Endes über.

Die elf Erzählungen handeln von diesem existentiellen „Tunnelblick“, der ausweglos in die Dunkelheit führt. Eine minimal ausgestattete Szenerie wird jäh von einem Beobachter aufgerissen, der eine Weile gegen seine Eindrücke kämpft und dann von diesen verschlungen wird.

Manche Geschichten schaffen es spielend, eine Gegend oder einen gesellschaftlichen Landstrich unvergesslich zu porträtieren.

Josef Pedarnig nennt seine Textsammlung aus mehreren Jahren zusammengetragen schlicht Miniaturen. Damit spielt er schon auf das Hauptthema an: Was kann in einem entlegenen Soziotop ein Thema sein, wenn nicht eine Miniatur, und werden in der Entlegenheit nicht auch große Dinge zu einer Miniatur?

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Illustrierte Kleinodien wie der Struwwelpeter oder Der kleine Prinz haben vielleicht deshalb Kultstatus erreicht, weil sie unsterblich schöne Sätze und Ikonenhafte Zeichnungen zu vereinen wissen.

Tim Burton, der Erfinder von fantastischen Kult-Filmen, gibt sich zwischendurch auch als Reimer und Buchillustrator die Ehre. ?Das traurige Ende des Austernjungen ist so ein schmales Frühstücksbuch, mit dem man den Tag vielleicht sinnvoller starten kann als mit der Lektüre einer hanebüchenen (Tiroler) Tageszeitung.

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Beim Poetry Slam geht es verkürzt gesagt darum, durch originelle Präsentation das Publikum für sich zu gewinnen. Die Darbietung und die Tagesverfassung sowohl der Autorin als auch des Publikums entscheiden also über die Akzeptanz des Textes.

Peh spielt im kontinentalen Poetry Slam in der obersten Liga, hat Dutzende Tagessiege und Preise eingeheimst. Ihr aktuelles Programm ?Drei Farben Weiß ist daher wie eine Partitur zu lesen, die der Leser selbst realisieren muss. Eine beigefügte CD mit zwölf Darbietungen und einem Intro von Markus Köhle gibt freilich eine erste Anregung, wie man die Texte lesen könnte.

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Mit einer guten Figur unter den Fingern, kannst du dir ganze Landstriche wach schreiben. - Diese Faustregel investigativer Poetik hat der 2010 verstorbene Gastro-Krimi-Schriftsteller Christoph Wagner mit seiner Figur Mario Carozzi mit Charme beherzigt.

Sein Archäologe gräbt immer etwas Interessantes aus der Erde, aus den Menschen holt er längst versunkene Erinnerungen und in diversen Küchen stößt er auf verschollene Rezepte.

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Kurze Geschichten können sich an manchen Tagen wie ein Ohrwurm ins Gedächtnis brennen und alle Geschehnisse im Lichte dieser Geschichte neu erzählen.

"Die Müdigkeit / Manchmal bin ich so müde, dass ich im Stehen, mit offenen Augen, einschlafe. Sobald ich sie schließe, werde ich wach." (117)

Buch-CoverIm Fahrtwind stellen sich Frisuren oft zu merkwürdigen Gebilden auf, Gesichter verzerren sich zu einem schlüpfrigen Grinsen und manchmal stehen Teile ab, die sonst nicht wahrgenommen werden.

Günter Kaip stellt seine Geschichten mit voller Brust in den Fahrtwind, wir erkennen ihre Struktur und freuen uns über diese Deformierungen, die dabei entstehen.

Buch-CoverIn der Kurzschrift wird jene Wirklichkeit zusammen gefasst, die zwar schon abgeschlossen, aber noch nicht für die Geschichte frei gegeben ist. Beispielsweise ist ein Sachverhalt diktiert und in Kurzschrift niedergeschrieben worden, aber der Text ist noch nicht öffentlich, denn er muss erst ins Reine geschrieben werden.

Güni Noggler notiert in seinen Kurzschriften jeweils das Wichtigste vom Tag, verknappt es zu einer prägnanten Sequenz und gibt diese Zeilen dann an den Leser weiter, damit sich dieser daraus seine passende Geschichte zusammenbasteln kann.