Den Wert einer Gesellschaft kann man an ihren Geschichten ablesen. Solange noch neue Geschichten erzählt werden, ist sie nicht gestorben. Monika Helfer erzählt als aufmerksame Alltagshistorikerin dutzende dieser Geschichten, die wie ein Lied noch Tagelang als Ohrwurm hängenbleiben.

Tatsächlich gleichen diese Geschichten jenen eindringlichen Balladen, die von den Missverständnissen zwischen den Generationen, den Abwehrmechanismen der Kulturen, der Geduld des Erforschens und dem Traum von einem geglückten Leben erzählen.

Was laut Definition kurz und einleuchtend sein soll, ist in der Praxis oft langwierig und mühsam, nämlich der Witz.

Unter dem unauffälligen Titel „Die Erbschaft“ lässt sich Zsuzsanna Gahse auf kurzen Seiten über den Witz aus. Dabei installiert sie Situationen, in denen man „einen erzählen“ kann, stellt Figuren vor, die besonders Witz-affin sind, und streut schließlich unauffällig Witze in die Erzählung.

Empfindsame Seelen müssen geschützt in abgedunkelter Atmosphäre gehalten werden, nur im Schutz der eigenen Umhüllung können sie manche Tage überstehen.

Simon Konttas zeigt in seinen beiden Novellen das Phänomen fragiler Psychen einmal als dunkle Variante am Rand der Gewöhnlichkeit und einmal als überhitzte Lichtflamme bei einem Gartenfest.

Wenn ein Thema ein Leben lang tierisch ernst behandelt wird wie der Kosmos Krankheit, löst schon die Aussicht, dass darüber Satiren und Grotesken verfasst werden, erwartungsvolles Gelächter aus.

Daniela Böhle und Paul Bokowski haben gut dreißig Satirikerinnen und Schreibhypochonder eingeladen, um dem Unwesen Arzt – Krankheit – Patient mit kurzen Erzählungen eine neue Sichtweise abzuluchsen.

„Was soll das zum Beispiel heißen, wenn jemand vom Pferd aus Blumen betrachtet? Oder Töpfe zerschlägt und Schiffe versenkt? Um das zu verstehen, muss man die Geschichten kennen, die hinter diesen Redewendungen stecken.“ (7)

Wie lernt man am leichtesten und interessantesten eine fremde Kultur kennen? Indem man sich mit der Literatur, den Mythen und Sprichwörtern eines Landes auseinandersetzt. Die kleine Sprichwortgeschichte aus China „Töpfe zerschlage und Schiffe versenken“ zeigt, dass sich das chinesische und das europäische Denken im Kern gar nicht so stark unterscheiden, auch wenn es rein äußerlich in unterschiedlichen Farben auftreten mag.

In der Psychiatrie des 18. Jahrhunderts gilt der Narrenturm als eine durchaus moderne Einrichtung, um die gestörten Persönlichkeiten industriell zu beobachten und zu bewachen. In der Literatur gilt der Narrenturm folglich als Chiffre für einen erhöhten Erzählstandpunkt, von dem aus die Zuwendung für diverse Helden und Situationen gesteuert werden kann.

Christl Greller geht aus der Sicht des Narrenturm-Zentrums über zwanzig seltsamer Schicksale nach, die in den Erzählungen kurz aufblitzen, aber noch während man die Kranken-Akte öffnet, schon wieder in einer neuen Tagesepisode verschwunden sind.

Kriege haben die ungute Eigenschaft, dass sie sich zwar beginnen aber niemals beenden lassen. Ein Krieg wirkt nicht nur in den Erinnerungen über Generationen nach, auch handfeste Minen, vergrabene Bomben und nicht gezündete Sprengstoffe devastieren oder verstrahlen ein Land oft über Jahrzehnte.

Robert Kleindienst erzählt von diesen nur provisorisch abgedichteten Gefährlichkeiten, oft ist nicht nur das Land vermint, auch die Gedanken, die historischen Einschläge oder die Alltagsgräuel sind vermint und abgeschirmt und gehen höchstens als Blindgänger los. Die Erzählungen sind unter dem vielsagenden Titel „Vermintes Echo“ subsumiert, tatsächlich hallt es von den Wänden und grummelt es aus den Talkeseln, wenn wieder irgendwo eine Erzählmine losgetreten worden ist.

Die heftigste Literaturform ist das Fragment, die wesentlichen Geschichten lassen sich nur als Fragment erzählen, das Fragment ist vollkommen, weil es unvollendet ist.

Anita Pichler hat vor einem Vierteljahrhundert zusammen mit der Sagenforscherin Ulrike Kindl die Sagenwelt der Dolomiten erwandert und in dreizehn Erzählungen über archaische Frauengestalten versucht, die Sagenwelt in Bruchstücken zu vermessen. „Die Frauen aus Fanis“ sind seither der Inbegriff fragmentarischen Erzählens und immer wieder wird Anita Pichler selbst als eine Frau aus Fanis empfunden.

Ein Fächer verhüllt einerseits das Antlitz, gleichzeitig bewegt er es durch seine Zuckungen. Wenn er dann gar noch zu schaudern anfängt, liegt das entweder am Gesicht oder an der Welt, die er beide jeweils zu bewegen versucht.

Ann Cotten nimmt ein japanisches Kult-Gerät in die Hand, um in siebzehn Erzählungen Bewegung in emotionale Ruhezonen zu bringen. Dabei geht es meist um Gefühle, die sich kunstvoll an der Oberfläche wegwischen lassen oder deren Tiefgang durch rituelle Handlungen kalt gehalten werden müssen.

Weltgeschichten sind die größten Globetrotter, sie kommen überall hin, nehmen überall das Wesentliche auf und bringen die besten Sachen zu Hause auf den Vorlese-Tisch.

Manfred Chobot schickt seine Helden meist freiwillig um die Welt, sie tun sich das Fremde aus Neugierde an und erweitern dabei ihren Horizont. Die Reisevorbereitung und Einstimmung sind dabei fast wichtiger als die Reise selbst, auch hier gilt die stille Lebensweisheit: So wie du eine Reise antrittst, so ist sie!