Das Ungeheure lässt sich nur erzählen, wenn Erzähler und Leser mit ihrem jeweiligen Wissensschatz an das Thema herangehen.

Ludwig Laher kümmert sich in seinem Roman „Bitter“ um eine hohe österreichische SS-Figur, an deren Beispiel sich der öffentliche Umgang mit der Historie herausarbeiten lässt. Gleich zu Beginn stellt Ludwig Laher das Konzept vor. Die Figur Bitter ist ein literarisches Statement, das mit den Mitteln der Fiktion, der Verkürzung und extremen Ausleuchtung arbeitet.

Bei jeder Mauer gibt es die interessante Frage: Wo ist vorne und wo hinten und woraus besteht sie?

Bei Alissa Ganijewa besteht die Mauer vor allem aus Gerüchten und zieht sich folgerichtig durch die Köpfe der Protagonisten. Der Roman „Die russische Mauer“ beschreibt das Leben in Dagestan, das aus einer mythologischen Erfolgsgeschichte und einem gegenwärtigen Desaster besteht.

In der Geschichtsschreibung gibt es zwar Modelle für Kriegserklärungen, Schlachten und Friedensverträge, aber kaum eine Erzählform kümmert sich um die Auswirkungen dieser großen Veranstaltungen auf das Individuum.

Ruth Aspöck wählt eine besondere Form der Familienaufstellung, um den Übergang des Krieges in eine sogenannte normale Weltordnung zu dokumentieren. Dabei teilt sie die Rollen in straff eingegrenzte Ideal-Typen auf, die Figuren sind freiwillig Gefangene von Ideen und versuchen durch Klarheit mit diesen Rollen zurechtzukommen.

Das ist in der Literatur ganz selten, dass eine Tirol-Ikone vom Cover glänzt und der ganzen Welt zeigt, wie ein echter Tiroler drein schaut.

Tobias Moretti gelingt dieses Kunststück, indem er vom cineastisch aufpolierten Roman „Das finstere Tal“ von Thomas Willmann funkelt. Das Genre „Alpen-Western“ erfährt dieser Tage jedenfalls in Film und Roman einen Höhepunkt.

Straßen werden als Verbindungskanäle zwischen Kulturen literarisch hoch gelobt, die Wirtschaft schätzt sie als Fundamente des Handels und das Kapital als Ort intensiven Investments, wenn man wieder einmal die Maschinen auffahren lässt.

In Waltraud Mittichs Roman „Abschied von der Serenissima“ führen die Straßen die Protagonistinnen zuerst hinaus aus der Kindheit aber dann einem strengen Leben zu. Die Straßen der Verheißung entpuppen sich als pfützige Rollwege, auf denen sich der Karren des Lebens nur mühsam voranschieben lässt.

Der mieseste, brutalste und verachtetste Job unserer Gesellschaft ist jener des Schriftstellers, ein getretener Hund geht geradezu aufrecht durch das Leben gemessen an den Krümmungen, die ein Schriftsteller täglich hinlegen muss.

Jörn Birkholz braucht nicht lange zu suchen, um einen kaputten Schriftsteller als Romanvorlage zu installieren, in der Form einer literarischen Beichte startet der Ich-Erzähler sein Unternehmen „Schreiben in einer feindlichen Gesellschaft“.

Der Bauernroman gilt in seiner Verkitschung durchaus als folkloristische Begleitmusik zu touristischen Werbekampagnen, der Bauern-Sterberoman hingegen hat noch das Zeug zu Sozialkritik und authentischer Dokumentation.

Reinhard Kaiser-Mühlecker setzt daher im Roman „Schwarzer Flieder“ seine Figuren in ein bäuerliches Ambiente und lässt sie darin verrecken. Held ist der studierte Agrarier Ferdinand, der im Wiener Ministerium die Landwirtschaft nach wissenschaftlichen Parametern dokumentiert. Der Sektionschef unterstützt ihn freundschaftlich, die Freundin Susanne lebensorientiert, so dass er sie heiraten möchte. Da aber bringt sich Susanne um und Ferdinand gerät in eine Krise, weil man ihn unter der Hand für die Ursache ihres Suizids hält.

Alle Krankheiten, die nach alten griechischen Sagenfiguren benannt sind, sind in Wirklichkeit moderne Seelen-Deformationen, die es mit antikem Design zu modischer Anerkennung bringen. Polykrates, der Tyrann von Samos, hat so viel Glück, dass er sich schließlich selbst davor zu fürchten anfängt.

Antonio Fian bringt in seinem Roman „Das Polykrates-Syndrom“ einen modernen Helden ins Spiel, der tatsächlich unwahrscheinlich viel Glück hat, obwohl er das pure Grauen durchlebt. Der Akademiker Artur arbeitet wie in Österreich üblich in prekärer Situation in einem Copy-Shop, seine Frau Renate ist wie in allen Aufsteiger-Ehen Lehrerin mit Aussicht auf einen Direktionsposten.

Im weiten Land des Krimis ist alles erlaubt, wenn es nur eine Art Handlung dabei gibt. Nach den mühsamen Erzähl-Experimenten gerade der österreichischen Autoren und Autorinnen vor der Jahrhundertwende ist das Publikum mittlerweile so dankbar um jeden Faden Handlung, dass es den Verlagen jeden Krimi aus der Hand frisst.

Edith Kneifl stellt ihren Kriminalroman „Blutiger Sand“ auf eine Erzähldüne, die sich ständig verändert. Nie ist nämlich klar, ob es sich um eine Verhöhnung des Genres handelt oder um eine besonders blumige Karl-May-Ausschmückung mit kriminalistischen Effekten.

Die große Geschichte schaut meist völlig andres drein, wenn sie von gewöhnlichen Menschen nachgelebt und erlebt werden muss. So setzen die Biographien durchaus Parallelschwünge zur allgemeinen Geschichte, kurven dann aber wieder jäh ab in ein individuelles Ressort, um darin der Rolle eines Unikats gerecht zu werden.

Claire French-Wieser überschreibt die Geschichte ihres Lebens mit „meine verkehrte Welt“. Damit ist gemeint, dass ihr in jedem Lebensabschnitt die Ereignisse quer über den Weg gelaufen sind, und natürlich ist auch die australische Welt gemeint, worin sie als Antipode zum Tiroler Kosmos auf dem Kopf steht.