hanspeter demetz, südtirolerisch gsaggIn einem Innsbrucker Taxi-Führer steht unter der Fügung „Südtiroler“, dass es sich dabei um jemanden handelt, der kein Trinkgeld gibt. Aus Gründen der Gerechtigkeit ist es also gut zu wissen, wie diese Knauser ticken und was sie so über sich und die Welt aus dem Mund herauslassen. Eine gute Quelle für diese Hardcore-Sprache ist der ultimative Sprachführer.

Hanspeter Demetz stellt für sein „Südtirolerisch gsagg“ ein paar brachiale Spielregeln auf. Das Südtirolerische ist nicht zu verwechseln mit Dialekten, wie sie oft punktgenau in diversen Talschaften gesprochen werden, und wodurch man oft jemanden in einem Dorf verorten kann, ohne dass er den Ausweis gezeigt hätte.

markus koschuh, olympisches dorfWenn ein Ort nicht weiß, was er will, müssen ihm die Bewohner jeden Tag einen neuen Sinn geben.

Das Olympische Dorf in Innsbruck ist seinerzeit als Sportlerunterkunft auf der grünen Wiese entstanden. Man hat freilich schon bei der Planung für 1964 daran gedacht, dass später normale Leute darin wohnen sollen. Anders bei der Schnellschuss-Olympiade 1976, als man offiziell aus Zeitnot keine ordentliche Planung machen konnte und ein bereits überholtes Hochhauskonzept ohne Charme weitergebaut hat.

konrad rabensteiner, der geköpfte adlerEine Chronik der Kindheit ist meist wie eine windstille Hängematte zwischen zwei Bäumen der Gelassenheit aufgeknüpft, einmal ist es der Stamm der Altersmilde, der jede Kindheit abgerundet erscheinen lässt, zum anderen der Pfosten der Kindheit selbst, die ja mangels an Vergleichen immer als die beste der Welt empfunden wird.

Konrad Rabensteiner schreibt im Roman „Der geköpfte Adler“ eine Kindheit im Villanders der frühen 1950er Jahre auf, gleich zu Beginn fällt die magische Zeitangabe „sieben Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg“. Der Ich-Erzähler hat die Reife und Lebenserfahrung eines Erwachsenen, denn die Ereignisse werden zwar in einer zeitgenössischen Ergriffenheit geschildert, in Auswahl und Beurteilung aber aus der Sicht eines Alten.

irmgard hierdeis, als die tomaten noch nach tomaten schmecktenDie Melancholie ist gleich alt wie die Pädagogik, folglich geraten Pädagogen in zunehmendem Alter in die Melancholie.

Mit dem berührenden Seufzer „Als die Tomaten noch nach Tomaten schmeckten“ machen zwei gereifte Pädagogen einen Ausflug in ihre Kindheit, denn was immer man im Alter auch unternimmt und denkt, man landet in seiner eigenen Kindheit. In Anekdoten und kleinen Erzählungen kommen so die vierziger und fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zum Vorschein und schmecken intensiv, weil damals alles, nicht nur Tomaten, intensiv nach seiner selbst geschmeckt hat.

heinz helle, eigentlich müssten wir tanzenDie Zeit zwischen Hardcover und Taschenbuchausgabe nützen professionelle Leser manchmal, um die dargestellte Welt einmal hart und einmal weich zu überprüfen. Die beiden Buchsorten werden von jeweils einem anderen Publikum wahrgenommen und diskutiert. Im Rezensionswesen ist es zudem nicht üblich, ein Buch noch einmal zu besprechen, wenn es als Taschenbuch erscheint.

Das sollte man aber, wenn es sich um dramatisch klare Bücher handelt wie bei Heinz Helles Roman „Eigentlich müssten wir tanzen“. Darin machen sich fünf Abenteurer nach Tirol auf, um bei Events die eigenen Leistungsgrenzen kennenzulernen. Doch dann verrutscht alles zu einer gigantischen Dystopie, worin das Land in einem Post-Tourismus traumatisiert darniederliegt.

gernot werner gruber, bruder luhWenn man sogenannte Helden aus ihrer angestammten Zeit nimmt, werden sie oft milde bis lächerlich. Auf jeden Fall aber halten sie der jeweiligen Gegenwart einen trüben Spiegel vors zeitgenössische Antlitz.

Gernot Werner Gruber belebt mit seiner „Reanimo“-Trilogie den Ötzi. Indem er diesen in der Gegenwart auftauchen lässt, entlarvt er auch den aktuellen Ötzi-Kult. So wie man in einen Kult an jeder Stelle einsteigen kann, kann man es auch in der Ötzi-Trilogie. Das Personal nämlich bleibt überschaubar.

hans haid, langesAn manchen Tagen steigt die Lyrik aus jeglichem Zeitgeist aus und erzählt etwas vom archaischen Verhältnis zwischen Mensch und Natur, Arbeit und Religion.

Hans Haid beschäftigt sich seit einem halben Jahrhundert mit den Menschen, die unter die Räder des Fortschritts kommen, mal ist er dabei Volkskundler, dann Museumsgestalter, mal Essayist und dann wieder Lyriker.

josiah gilbert, die entdeckung der dolomitenDie Dolomiten gelten mittlerweile als über-erschlossenes Touristengebiet, das an manchen Tagen so von Menschen überwuselt ist, dass nichts mehr vom „bleichen Stein“ zu sehen ist, wie der Dolomit vor seiner Entdeckung durch Dolomieu 1789 geheißen hat. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass dieses Gebirge einmal leer und wild gewirkt hat wie heute vielleicht der Kaukasus.

„Die Entdeckung der Dolomiten“ ist ein Klassiker und Welterfolg. Der Band von Gilbert und Churchill stammt aus jener romantischen Zeit, als die Schweiz als Bergsteigerland entdeckt ist und man sich in gehobenen englischen Kreisen daranmacht, weitere wilde Gebiete zu besuchen und vor allem zu besteigen.

niko hofinger, maneks listenElementare Romane dringen wie eine Naturgewalt in die Kunstbauten des Lesers ein und durchpflügen sein Weltbild und machen ganze Leseflächen instabil.

Niko Hofinger legt mit seinem Roman „Maneks Listen“ alles um, was sich der Leser als stabile Wahrheitspfosten ins Erdreich geschlagen hat. „Maneks Listen“ ist ein Roman der Irritation und der wahren Geschichtsschreibung. Schon der Vorsatz von Mark Twain sagt eigentlich alles: Die Wahrheit ist verrückter als die Fiktion, aber das ist so, weil die Fiktion verpflichtet ist, sich an Möglichkeiten zu halten; die Wahrheit aber nicht.

Eine Million Kilometer durch InnsbruckSpätestens seit den frühen Funkstücken des Peter Handke gilt das Taxi als eines der innigsten Erzählmittel, wenn es um die Geräusche und Geschichten einer Stadt geht. Nicht umsonst hat jede Stadt ein eigenes, unverwechselbares Grundgeräusch.

Gernot Zimmermann ist ein Vierteljahrhundert lang in Innsbruck als Taxler unterwegs gewesen, dabei hat er die sprichwörtliche Million an Kilometern heruntergespult und gut zweihunderttausend Fahrgäste kutschiert. Jeder Innsbrucker ist statistisch gesehen einmal bei ihm in der Fahrgastzelle gesessen.