Als Katastrophe gilt im Tourismus generell jedes Phänomen, wonach die Jahreszeiten aus dem gewohnten Bild ausbüchsen. Winter ohne Schnee, Herbst ohne Blätter, Frühjahr ohne Blüten gelten als Desaster.

Martin Kolozs nimmt diese negativen Idealbilder zum Anlass, um darin eine Künstler-Karriere zu installieren. Sommer ohne Sonne zeigt einen Mann, der am Höhepunkt seiner Liebes- und Genitalfähigkeit ohne Sonne einem diffusen Horizont entgegen dämmert.

Die Begriffe in der literarischen Geschäftssprache werden immer üppiger, was dem Österreichischen sehr entgegenkommt. Zum Roman sagt man mittlerweile Kriminalroman, zum Koch Haubenkoch und zum Autor Bestseller-Autor.

Stefan David Kaufer setzt diesen Ausschweifungen eins drauf und nennt seinen frechen Text satirischen Kriminalroman, und aus den Sopranistinnen hört man als Leser noch die schrillsten Töne heraus, ehe sie sterben. Die wichtigste Silbe des ganzen Romans ist ur-, das verrät einerseits große Sprachkompetenz der Helden, wenn sie alles auf einen Urzustand zurücksetzen, und andererseits große Emotionalität, wenn in urkomischen Metaphern zwischen den Generationen-Codes herum geplärrt wird.

Wie bei allen großen Dingen im Leben ist auch in der Kriminalistik die Gewissheit zur falschen Zeit ein Luder und kann einen Fall verhunzen.

Gianrico Carofiglio lässt in seinem Kriminalroman die Figuren einzeln und übersichtlich auftreten, die trügerischer Gewissheit lässt Maresciallo Pietro Fenoglio jeweils den Gedankenfaden unterbrechen, wenn er zu logisch wird. Erst durch Geduld und Hartnäckigkeit, den Grundtugenden des Sherlock Holmes, den der Held begeistert liest, kommt der Fall voran.

Während Politiker nie wissen, was die Dinge des Alltags so kosten, sind die Alltagsprofis auf den Cent genau informiert und zahlen nur das Nötigste, was auch meist zu viel ist.

Natalka Sniadanko erzählt von den dürren Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, wenn man als Arbeitsmigrantin unterwegs sein muss. Hauptfigur ist Chrystyna, die mit ihrer Freundin Solomija von Lemberg nach Berlin übersiedelt ist, der Arbeit wegen.

Wenn eine versteckte Nuance in den Titel rutscht, werden dadurch auch alle anderen Begriffe in einen neuen Kontext gestellt. „Sora bezeichnet im römischen Dialekt eine Frau der einfachen Volksschichten.“ (179)

Ada Zapperi Zucker lässt in ihren sechs Erzählungen Menschen wie Sora Elsa zu Wort kommen. Ihre Geschichten sind zweifach an den Rand des Mainstreams gedrückt, einmal, weil es meist einfache Leute jenseits der jeweiligen Eliten sind, die erzählen, andererseits, weil die Geschichten an jener Kante der Zeitgeschichte spielen, wo sich dahinter das Reich des Vergessens auftut.

Die Literatur schafft die Möglichkeit, die Zeit so zu verdichten, dass sie in einem Wimpernschlag untergebracht werden kann. Diese Verdichtung lässt sich auf ein ganzes Leben ausdehnen, so dass in quasi in einem Standbild der Erinnerung alles aufgezeichnet ist.

Anna Rottensteiner führt eine Ich-Erzählerin durch eine scheinbar klaglose Kindheit herauf bis zu jenem Punkt, an dem das Leben abgerundet und seltsam offen ist. In den Stationen Sommer-Kindheit, Sommer-Tourismus und Daseins-Herbst reflektiert die Erzählerin über eine makellos aussortierte Erinnerungsgalerie, in der die Bilder harmonisch ausgestellt sind.

Der Reiz von Kriminalerzählungen liegt vor allem darin, dass sie zeigen, wie jede mögliche oder unmögliche Situation entgleisen und zu einem Kriminalfall werden kann. Gerade Österreich, das Land der Dauerentgleisungen, entwickelt sich zunehmend zu einem Paradies für Kriminalschriftstellerinnen.

Herbert Dutzler, der immer wieder als die Kriminal-Seele Österreichs bezeichnet wird, deutet in den vierzehn Kriminalgeschichten an, woraus das Land besteht, wenn man seinem Geflüster zuhört: aus verzwickten, verdrossenen und verdroschenen Kleinkrämerseelen, die sich durch den Alltag retten müssen. So kaputt kann es freilich gar nicht zugehen, dass nicht einer der Beteiligten lachen müsste, und sei es nur der Leser.

Die echten Krimis spielen nicht in der lauen Wachau unter Marillen sondern in den zusammen gestampften Soziotopen der Wälder Kalabriens und des Dschungels von Mailand.

Gioaccino Criaco greift die Erzählform eines Soziologen auf, der in Ich-Form quasi eine Feldstudie an sich selbst durchführt. Tatsächlich ist der Plot autobiographisch, wonach die Söhne von kalabrischen Ziegenhirten nach Mailand zum Studieren gehen und später in der Heimat das Land politisch aufzumischen versuchen. Die Figuren, Strategien, Motive und Prozesse sind aus der unmittelbaren Zeitgeschichte entnommen, wie sie sich in den Chronik-Teilen lokaler Zeitungen seit Jahrhunderten darbieten.

Wenn es mit dem „Schnitzal“ Probleme mehliger, bröseliger oder eiiger Art gibt, wird das in Österreich bald einmal zu einem Problem und kann in eine Tragödie münden.

Harald Darer nennt seinen Roman patriotisch-kühn „Schnitzteltragödie“, dabei gibt es auch Probleme mit dem Leberkäs, den Forellen und den Krusten allgemein. Man ahnt es schon, in diesem Roman hat ein österreichischer Alltagsheld ordentlich zu leiden, bis er gegen Abend hin mit dem Alltag durch ist.

Es gibt Tausende Gründe, einen zeitgenössischen Roman zu lesen, einer könnte sein, dass man herausfinden möchte, wie in einem vom Bürgerkrieg bedrohten europäischen Land die junge Intelligenz tickt und welchen Themen sie sich zuwendet.

Sofia Andruchowytsch gilt als ukrainischer Shooting Star der Literaturszene und hat als Tochter des berühmten Jurij Andruchowytsch vermutlich jede Menge Bonus und Malus auszuhalten. Interessant ist jedenfalls, wovon eine Autorin mitten in einer wild gewordenen Welt schreibt: Vom Leben eines Dienstmädchens im galizischen Stanislau des Jahres 1900!