Felicitas Hoppe, Johanna

Buch-CoverAh, das ist ein idealer Roman für germanistische Seminare! Eine Dissertantin Johanna hockt über dem Thema Johanna, und plötzlich fließen die Welten ineinander.

So kommt einmal die Universitätswelt unmittelbar zum Vorschein, wie man schwitzt und ständig Angst hat vor Prüfungen, und indirekt schwitzt das universitäre Wissen die historische Figur Johanna aus, die natürlich ebenfalls Angst hat, weil sie ja auf den Scheiterhaufen muss um dann nach fünfhundert Jahren heilig gesprochen zu werden.

Felicitas Hoppe, die in Internetauftritten nicht nur ihre durchgeführten Reisen sondern auch die geplanten aufführt, kehrt in einem dankenden Abspann auch ihr Schreiberinnengefühl nach außen:

Wenn die Angst bei mir ist, habe ich keine Angst. (172)

Dieses Motto haben sich auch die beiden Johannas auf den Leib geschrieben, Prüfungsangst, Scheiterhaufenangst.

Ein halbfester Mörtel aus historischem Kult, Heiligenverehrung, Prüfungsritual und Beschreibungsunlust trocknet durch die Jahrhunderte dahin und wird in der Nähe der Gegenwart zu einem unguten Klumpen. Die Schlüsselwörter wandern als Kapitelüberschriften in den Text und lauten Mützen, Stimmen, Wunder, Prüfungen, Zeugen, Leitern und Himmel. Kulte, wie sie bei Krönungen auftauchen, Rituale der Heiligsprechung und akademisches Getue bei Rigorosen vermischen sich zu einer Elegie von Weinerlichkeit und seufzender Anhimmelung.

Manchmal kristallisieren sich Thesen heraus, die in der psychisch labilen Tunke des Johanna-Gemischs kaum als solche wahr zu nehmen sind.

Worauf kommt es in der Geschichte an? Nicht darauf, dass man Geschichten erzählt, sondern, wie man Geschichten macht, wenn man erzählt. (47)

Dieses Motto dient offensichtlich nicht nur den Protagonistinnen als Antriebsmotor, auch der Kult um erfolgreiche Gegenwartsliteratur läuft offensichtlich nach dieser Methode ab.

Die Geschichte besteht aus Qual und Bemühung, aus Einsicht und Furcht, aus Versuch und Angst, aus Respekt und Eifer, aus Einwand und Schweiß, aus endlosen langen schlaflosen Nächten. (74)

Also wenn das Gegenteil einer Chronik so eine Latte von Anstrengung ist, dann verdünnt man sich als Leser mit Lebenslust lieber die Geschichte.
„Und jeden Tag eine andere Prüfung, aber immer dasselbe Thema von vorne.“ (100) Nach dieser Methode werden Heilige ausgerufen und Akademiker gemacht. Einen akademischen Grad zu erlangen heißt offensichtlich, heilig zu werden.

Ein wahrnehmungsgeiler Professor, Mister Peitsche, die doppelte Johanna, sie driften zäh und ermüdend durch die Jahrhunderte. Kein Lacher weit und breit, und wenn es einer sein soll, wird er zu einem akademischen Grinser. Ok, studieren ist schwer, Geschichte ist anstrengend, Heiligsprechung ist sinnlos. Johanna sein zu müssen ist in jedem Jahrhundert eine Bürde.

Dabei könnte man so witzige Fragen in einem fiktionalen Text zu lassen? Etwa: Wie johannisch ist Angela Merkel? Wie trägt die Innsbrucker Bürgermeisterin das johannische Los einer Heiligsprechung? Darf man Geschichte auch easy und ohne Prüfung nehmen?

Nach diesem Roman ist man als Leser hin und verheizt wie Johanna am Scheiterhaufen, wenigstens in der Erzählmethode ist Hoppes Roman authentisch.

Felicitas Hoppe, Johanna. Roman.
Frankfurt/M: S. Fischer 2006. 170 Seiten. EUR 17,90. ISBN 978-3-10-032450-4

 

Weiterführende Links:
S. Fischer-Verlag: Felicitas Hoppe,Johanna
Wikipedia: Felicitas Hoppe

 

Helmuth Schönauer, 08-02-2007

Bibliographie

AutorIn

Felicitas Hoppe

Buchtitel

Johanna

Erscheinungsort

Frankfurt a. M.

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

S. Fischer

Seitenzahl

170

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-10-032450-4

Kurzbiographie AutorIn

Felicitas Hoppe, geb. 1960 in Hameln, lebt in Berlin.