Reinhard Kocznar, Harte Landung

Buch-CoverHilf dir selbst, sonst hilft dir Gott. So in etwa könnte die Grundbotschaft jener beiden Erzählungen lauten, die den Ich-Erzähler an jene Grenze gebracht haben, hinter welcher entweder das Jenseits oder die irdische Verstümmelung warten.

Reinhard Kocznar steckt teils autobiographische Erlebnisse einem Ich-Erzähler in den Holster, und die Erzählungen sind durchaus scharf geladen.

Der Alptraum jedes Ich-Erzählers ist die Lähmung, das Erwachen ohne logische Verknüpfung, das Herumschwirren eines losen Partikels im Weltraum. Das Aufwachen in einer Intensivstation ist etwa so lustig wie das Strampeln eines Käfers, zu welchem in Kafkas Verwandlung Gregor Samsa über Nacht geworden ist.

Unter "Neustart" stellt sich der Leser oft eine Karriere in der Liebe oder in der Wirtschaft vor, hier gilt es, die zertrümmerten Körperteile wieder in Schuss zu bringen, den Lebenswillen zu finden und Kontakt zur früheren Außenwelt herzustellen. Teilweise helfen Textpartikel aus der Weltliteratur, teilweise zischen zynisch Zeilen aus aktuellen Pop-Songs durch den Kopf des Delinquenten der Intensiv-Medizin. Allmählich lichtet sich das Sein, der Erzähler hatte einen formidablen Verkehrsunfall, in dessen Folge man beispielsweise das Bremspedal aus dem Fuß des Verunglückten schneiden musste.

In ersten Bewegungen schielt der Verunfallte auf die Nachbarbetten und sieht, dass man hier selbst zum Überlebenswillen greifen muss, sonst geht die Geschichte nicht gut aus. Ein Foto der kaputten Fahrzeuge beendet die Erzählung mit der Botschaft: So zertrümmert kann etwas gar nicht sein, dass sich nicht daraus ein Neustart entwickeln ließe.

In der zweiten Erzählung erlebt der Erzähler einen Tinnitus, den er punktgenau mit Liedern bekämpft wie "The Sound of Silence" und "What a beautiful Noise". Logischerweise heißt diese Erzählung "Beautiful Noise". Diese Ohrwürmer entwickeln sich zu einem perfekten Medikament, wenn es gilt, einen hässlichen Grundton zu überblenden. Natürlich kann die Schulmedizin in so einem Fall recht wenig tun, der Erzähler muss wieder einmal selbst den eigenen Ohren Beine machen. Denn die Hilfsmittel von außen gleichen irgendwie einer Versicherung, man ist froh, wenn man sie hat, aber wenn man sie braucht, steigt sie aus.

In einem Abspann werden diese Lyrics kommentiert, eine völlig neue Methode, das Geniale von Pop-Songs durch die Verknüpfung mit Grenzerlebnissen des Hörers darzustellen.

Reinhard Kocznars Harte Landung geht dem Leser durchaus unter die Haut, liegt er doch wie der Protagonist authentisch gelähmt und zerstört im Text. Aber der Grundsound ist aufbauend: Du musst da selbst raus, sonst ist es aus!

Reinhard Kocznar, Harte Landung. Grenzerlebnisse. Erzählungen.
Innsbruck: Edition KoCheck 2008. 109 Seiten. EUR 13,50. ISBN 978-1-4092-0505-8.

 

Weiterführende Links:
Homepage Reinhard Kocznar, Harte Landung

 

Helmuth Schönauer, 11-08-2008

Bibliographie

AutorIn

Reinhard Kocznar

Buchtitel

Harte Landung. Grenzerlebnisse

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Edition KoCheck

Seitenzahl

109

Preis in EUR

13,50

ISBN

978-1-4092-0505-8

Kurzbiographie AutorIn

Reinhard Kocznar, geb. 1951, lebt in Innsbruck.