Curzio Maltese, Scheinheilige Geschäfte

Buch-Cover"Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme heißt es in der Bibel." Curzio Maltese zeigt mit seinem penibel recherchierten Buch, wie sich der Vatikan in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Stolpersteine auf dem Weg ins Reich Gottes errichtet hat und auf Erden gut damit lebt.

Nach dem Zusammenbruch der Mailänder Banco Ambrosiano "gleichen die Finanzen der katholischen Kirche einem großen schwarzen Loch, in dem gähnende Leere herrscht" (35).

Innerhalb von nur fünfundzwanzig Jahren gelingt es dem Vatikan sich wieder finanziell zu restaurieren. Curzio Maltese zeigt auf, wie es den konservativen Kräften der katholischen Kirche in Italien gelingt, ihren ökonomischen und politischen Einfluss zurück zu gewinnen.

Wer sich mit den wirtschaftlichen Hintergründen des Vatikans auseinandersetzt, erfährt Befremdliches und was bei Nichtitalienern vermutlich meist zu einem Kopfschütteln führen dürfte, wird von Italienern nur mehr apathisch zur Kenntnis genommen.

Ein interessantes Beispiel Malteses ist die Befreiung der katholischen Kirche in Italien von der Grundsteuer. Nachdem ein Urteil des Obersten italienischen Gerichtshofs die Befreiung für rechtswidrig erklärt hatte, erließ die Regierung Berlusconi ein Gesetz, das jene Immobilien von der Grundsteuer befreit, die nicht ausschließlich kommerziellen Zwecken dienen.

Wie durch ein Wunder genügt bereits eine Kapelle oder ein religiöser Schaukasten in einem der unzähligen kirchlich geführten Hotels, um dieses Kriterium zu erfüllen. Ganz nach dem Motto: wer schon keine Steuern zahlen will, bedient sich lieber an den Steuern der Allgemeinheit, lässt sich die Kirche in Italien ihre Immobilien bereitwillig von öffentlicher Hand restaurieren und unterhalten.

Maltese beschreibt detailliert wie die katholische Kirche im großen Jubeljahr im Jahr 2000 massiv damit begann den Pilgertourismus stetig auszubauen. Gegenwärtig steht sie als Branchenführer im Tourismus in Italien da und verfügt über

mehr als 200.000 Betten in 3 500 Einrichtungen und vermarktet jedes Jahr 40.000 Reisen mit 19 Mio. Übernachtungen. Der entsprechende Jahresumsatz wird auf 4,5 Mrd. Euro geschätzt: das Dreifache des größten italienischen Reiseveranstalters Alpitour (78)

Maltese verzichtet weitgehend auf reißerische Geschichten, in denen der Vatikan mit kriminellen Machenschaften in Zusammenhang gebracht wird und setzt dafür auf genaue Recherche um den großen Einfluss des Vatikans in allen Bereichen des italienischen Lebens zu belegen, der zu einem großen Anteil von den Steuerzahlern mitfinanziert wird.

Mysteriöser wird die Sachlage, wenn es um "die Geheimnisse der Vatikanbank IOR" geht, über die Maltese meint:

... dass der Schatten des IOR fast in allen Skandalen der letzten zwanzig Jahre auftaucht.

Malteses empfehlenswertes Buch deckt spannend, unterhaltsam und mit zahlreichen zum Teil nur schwer fassbaren Beispielen das Finanzwesen des Vatikans auf. Aber auch der sich daraus ergebende politische Einfluss und die zahlreichen Verwicklungen der katholischen Kirche Italiens in das Wirtschafts-, Bildungs- und Sozialsystema Italiens werden minutiös dargestellt.

Quintessenz bleibt, dass in Italien von der Trennung zwischen Staat und Kirche lediglich eine Anekdote in der Verfassung übrig zu bleiben scheint.

Curzio Maltese, Scheinheilige Geschäfte. Die Finanzen des Vatikans, Übers. Friederike Hausmann und Petra Kaiser
München: Kunstmann-Verlag 2009, 160 Seiten, 17,40 EUR, ISBN 978-3-88897-558-5

 

Weiterführender Link:
Kunstmann-Verlag: Curzio Maltese, Scheinheilige Geschäfte

 

Andreas Markt-Huter, 21-04-2009

Bibliographie

AutorIn

Curzio Maltese

Buchtitel

Scheinheilige Geschäfte. Die Finanzen des Vatikans

Originaltitel

La Questua

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Kunstmann

Übersetzung

Friederike Hausmann / Petra Kaiser

Seitenzahl

160

Preis in EUR

17,40

ISBN

978-3-88897-558-5

Kurzbiographie AutorIn

Der Schriftsteller und Publizist Curzio Maltese zählt zu den renommiertesten Journalisten Italiens. Er schrieb für zahlreiche große Zeitungen wie La Stampa und ist seit 1995 Leitartikler der linksliberalen Tageszeitung La Repubblica.