Jochen Jung, Das süße Messer

Buch-CoverMeist sind Verletzungen durch die Liebe spitz, hart und tief gehend. Ab einem gewissen Alter jedoch werden auch die amourösen Verwundungen sanft, dass Messer, das schneidet, wird gar als süß empfunden.

Jochen Jung lässt in dieser Novelle ziemlich abgeklärte Figuren auftreten, die es noch einmal wissen wollen und dann den Tag mit dem edlen Glanz vertrunkener Augen ausklingen lassen.

Ute feiert gerade ihren fünfzigsten Geburtstag, als sie mit ihrer Tochter Ruth irgendwie ins Streiten gerät, Ruth nämlich hat an diesem Tag eine Mammographie und erwartet sich insgeheim einen tödlichen Befund.

Ute hingegen ist als Kunsthistorikerin ziemlich abgeklärt, in der Kunst lassen sich Bilder immer deuten, wodurch durch vielleicht auch das Leben deutbar wird. Sie ist ohne rechte Hingabe mit einem Maler liiert, der durch bloße Farbgebung der Wände aus den schrillsten Zimmern edle Gemächer herausputzen kann.

Alles, was scheinbar edel zur Ruhe und ins Gleichgewicht gekommen ist, erfährt in einer guten Novelle noch einmal ein Aufzucken. So wartet Ute in der Tiefgarage der Klinik, als ein vornehmer Anwalt vorbei kommt und ihr durch höfliches Zuschlagen der Autotür die Hand einklemmt. Jetzt ist eine Beziehung fällig, der Anwalt hat nämlich vor einem Jahr seine Frau verloren und kümmert sich heftig um die frisch Verletzte.

Noch ehe irgendeine Regie eingreifen kann kriegt der Anwalt seinen Sex und Ute hat schon einmal ein erstes Geburtstagsgeschenk ausgefasst.

Am Abend treffen dann noch einmal alle vier Protagonisten zusammen, die Tochter ist etwas schrill, Ute genießt die Anwesenheit des alten und des neuen Lovers, als es beim Austern-Essen zu einem Unfall kommt. Das süße Messer bohrt sich in die Hand des Anwalts, welcher nun ebenfalls in die Klinik muss, um die Hand zu sanieren.

Der Abend endet, wie so Geburtstagsabende am Fünfziger enden. Die Lovers sind in der Klinik, die Tochter hat so richtig die Sau herausgelassen und Ute nimmt gelassen mit einem Getränk die Zukunft in die Hand. Es ist letztlich egal, wen man wie liebt, Hauptsache der Körper kommt zwischendurch etwas zur Ruhe.

Jochen Jung erzählt ironisch gelassen und führt die Dramaturgie der Novelle ab wie ein straffes Kammerstück. Die Figuren sind etwas hin und her gerissen zwischen der Aufgeregtheit des Augenblicks und dem langen Atem der bisherigen Lebenserfahrung. Die Liebe ist letztlich das Ausschlürfen von Austern, bei dem nur selten das Messer ausrutscht. Und auch dann tut es nicht weh, wenn sich die Wollust des Alkohols über die Verwundung stülpt. Ein feines Bravourstück für offensichtlich gereifte Lesesemester.

Jochen Jung, Das süße Messer. Eine Novelle.
Innsbruck: Haymon 2009. 130 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-3-85218-613-9.

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Jochen Jung, Das süße Messer
Wikipedia: Jochen Jung

 

Helmuth Schönauer, 24-08-2009

Bibliographie

AutorIn

Jochen Jung

Buchtitel

Das süße Messer

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Haymon

Seitenzahl

130

Preis in EUR

15,90

ISBN

978-3-85218-613-9

Kurzbiographie AutorIn

Jochen Jung, geb. 1942 in Frankfurt, lebt in Salzburg.