Sepp Schluiferer, Fern von Europa

Buch-CoverDas ganze Land marschiert durch das Andreas-Hofer-Jubiläums-Jahr, man feiert allerorten die berühmt berüchtigten Geschehnisse vor zweihundert Jahren und vergisst dabei eines:

Vor hundert Jahren, am 26. August 1909 ist unter dem Pseudonym Sepp Schluiferer das Buch Fern von Europa von Carl Techet erschienen.

Buch und Autor sind eine Tiroler Erfolgsgeschichte des Untergrundes. Verboten und verfolgt schaffte das Buch auf Anhieb den Sprung auf die damals noch nicht so bezeichneten Bestellerliste. Und auch die Neuauflage in den letzten Jahrzehnten geht in die zig Tausende. Weniger erfolgreich, oder im Sinne des Heldentums völlig erfolgreich war der Autor Carl Techet.

Als Gymnasiallehrer aus Wien muss er seinen Arbeitsort Kufstein als idealen Ort der Verbannung empfunden haben, daher auch sein cooler Erzählansatz über die Tiroler Szenerie. Und als das Buch erschienen war, wurde er gleich nach Proßnitz strafversetzt, wo bei zu überlegen ist, ob es in der Verbannungskultur überhaupt eine seriöse Steigerungsform gibt.

Der Autor selbst starb 1920 im Vorruhestand in Wien, das Pseudonym Sepp Schluiferer aber wird in einer späten Erzählung von den Tarrolan hingerichtet, indem man ihm so lange Tiroler Gedichte vorliest, bis sein Kreislauf erlischt.

Die "Schluiferer-Geschichten" sind mittlerweile so etwas wie geheimes Sagengut aus Tirol geworden. In ihrer Skurrilität schaffen es die Stories spielend, die Tiroler zu kennzeichnen und die ganze Welt zum Lachen zu bringen.

Der "Olpnvarain" hatte eine Vollversammlung einberufen. Alle seine Mitglieder, "Durischtn" genannt, erschienen. Sie erschienen in bunten, prächtigen Kostümen, mit zerrissenen Lederhosen, bloßen und ungewaschenen Knieen und federgeschmückten Hüten. Man nennt derlei Kostüme, die nur von den Erfindern und niemand sonst getragen werden, auch "Volkstrachten". Viele Frauen und Mädchen waren gleichfalls in solchen Volkstrachten anwesend. Die meisten dieser Damen hatten ihre Busen zu Hause vergessen, doch besaßen sie dafür sehr große Hände und Füße, untrügliche Kennzeichen ihrer kletternden Lebensweise.

Ob es sich nun um die Kropf-Stellung am Hals eines Würdenträgers, die verbotene Liebe eines Patrioten oder die politisch unerwünschte Einstellung eines Eisenbahners handelt, der Effekt beim Leser ist immer der gleiche: Genau so ist es!

Um diese perfekten Tirol-Geschichten schreiben zu können, darf man kein Tiroler sein, denn sonst würde man eines Tages vom Wahnwitz korrumpiert. Als Untergrund-Tiroler, was Sepp Schluiferer ja im idealen Ausmaß darstellt, gelingt es noch am ehesten, die seltsamen Ereignisse an der Oberfläche des Landes zu dokumentieren.

Jetzt, wo alle jubilieren, und sei es auch nur aus zweihundertjährigem Anlass, kommt eine frische Schluiferer-Ausgabe ans Tageslicht. Damit feiern die Untergrund Leser ihren geheimen Landeshauptmann, den unvergesslichen und unerschütterlichen Sepp Schluiferer!

Sepp Schluiferer ( = Karl Techet), Fern von Europa. Tirol ohne Maske.
Innsbruck: Edition Löwenzahn 2009. 146 Seiten. 12,90. EUR. ISBN 978-3-7066-2454-1.

 

Weiterführende Links:
Löwenzahn-Verlag
Wikipedia: Sepp Schluiferer

 

Helmuth Schönauer, 30-07-2009

Bibliographie

AutorIn

Sepp Schluiferer

Buchtitel

Fern von Europa.. Tirol ohne Maske

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Edition Löwenzahn

Seitenzahl

146

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-7066-2454-1

Kurzbiographie AutorIn

Carl Techet, geb. 1877 in Wien, starb 1920 in Wien.