Marion Kraske, Ach Austria!

Buch-CoverWer im Sumpf sitzt, kriegt nicht viel mit und hält das Quaken der Frösche für Ansprachen. Österreicher sind begnadete Sumpf-Sitzer, weshalb es gut tut, wenn ab und zu eine Korrespondentin von außen den Saftladen begutachtet, den viele für den Mittelpunkt der Welt halten.

Marion Kraske beginnt richtigerweise mit einem Seufzer, Ach Austria! Damit ist schon viel gesagt. Gleich zu Beginn schaut ein Deixianer satt grinsend über den eigenen Gartenzaun ins Leere, unter einem Deixianer versteht man einen typischen Österreicher, der von Deix gezeichnet worden ist.

Die Beobachtungsreise durch Österreichs Geschichte strotzt nur so von Merkwürdigkeiten. Da wird einerseits der EU-Beitritt gefeiert aber dann die EU flächendeckend abgelehnt. Da rast ein Minderheitenvertreter bewusst durchs Ortsgebiet, um über eine Anzeige die Rechte der Minderheiten einzuklagen. Da werden Höchstgerichtliche Entscheide einfach nicht umgesetzt. Da wird immer ein Migrant als Sündenbock gefunden, wenn etwas im Lande nicht klappt, und sei es auch nur, dass eine Adresse nicht stimmt. Da wird verdrängt und verleugnet, dass sich sogar Diktatoren nach Jahrzehnten noch höchster Beliebtheit erfreuen.

Marion Kraskes Befund ist nicht sehr aufbauend. Und in voller Schärfe dargelegt, merkt man erst, wie stumpf man als Bewohner dieses Landes schon geworden ist, dass einen nichts mehr aufregt.

Dazu trägt auch die politische Kultur bei. So etwas wie Rücktritt aus Verantwortung gibt es prinzipiell nicht. Es entsteht der Eindruck, als ob in Österreich nie jemand etwas zu verantworten hätte, denn es sind ja immer nur liebenswürdige Kleinigkeiten die schief gegangen sind. Der letzte Rücktritt fand übrigens 1987 statt, als der Generalsekretär der ÖVP nach seinem Sager über das eigenhändige Erwürgen von Juden schließlich doch den Hut nahm.

Auch die eingestreuten Fotos sprechen Bände. Die Tiroler ziehen durch die Maria-Theresien-Straße und wollen heim ins Reich, Ortstafeln werden ratzeputz übermalt, wenn sie jemandem nicht gefallen, und als Kathedrale des Populismus ist das Verlagsgebäude der Kronenzeitung zu sehen, in dieser Aufnahme tatsächlich ein schreckliches Bild.

Die beiden letzten Kapitel sind auch die trostlosesten. Einmal wird beschrieben, wie korrupt letztlich ein Staatsgefüge ist, das gerade achteinhalb Millionen Einwohner hat. Bei dieser Größe scheint die gegenseitige Bestechung geradezu überlebensnotwendig zu sein. Und der Endbefund hat mit dem Schreiben über das Land zu tun. Alles, was man schreibt und berichtet, ist ein zurückgespukter Satz, den die österreichische Gummiwand hinterlistig zurückspielt.

Marion Kraskes Beobachtungsreise ist nichts für oberflächlichen Patriotismus und geht ganz schön unter die Haut. Aber vielleicht ist das Land noch nicht ganz kaputt, wenn solche Bücher geschrieben werden und es sich manche doch zu Herzen nehmen, was da alles im Argen liegt.

Marion Kraske, Ach Austria! Verrücktes Alpenland. Eine Beobachtungsreise zu Österreichs Merkwürdigkeiten.
Wien: Molden 2009, 256 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85485-240-7.

 

Helmuth Schönauer, 02-10-2009

Bibliographie

AutorIn

Marion Kraske

Buchtitel

Ach Austria! Verrücktes Alpenland. Eine Beobachtungsreise zu Österreichs Merkwürdigkeiten

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Molden

Seitenzahl

256

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85485-240-7

Kurzbiographie AutorIn

Marion Kraske, geb. 1969 in Iserlohn, war bis 2009 Korrespondentin des Spiegel in Wien.