Sebastian Tom Strobl, The Rats
Der Sinn von Untergrundliteratur besteht bekanntlich darin, dass man an der literarischen Oberfläche und Oberflächlichkeit nichts davon mitbekommt.
Sebastian Tom Strobl verfasst beste Untergrundliteratur, man nimmt seine Texte nur marginal wahr, dabei handelt es sich um Weltliteratur des Untergrundes.
Was macht nun gute Untergrundliteratur aus? Zuerst einmal die Verweigerung des offiziellen Literaturbetriebes: Das Buch The Rats ist in einer Auflage von 90 Exemplaren erschienen, die Verlagsadresse ist ein Geheimtipp. Dann das Thema: In The Rats geht es um jede Menge Untergrundsex, Graffiti-Kultur und touristische Kleinkriminalität. Und schließlich die Aufmachung: Das Buch ist selten schräg gesetzt, Umbruch und Layout sind mit einem Zufallsgenerator entwickelt.
Und was für eine Story! Der Autor warnt im Vorspann vor Nachahmung und bedankt sich im Abspann bei Jesus, dass alles gut gegangen ist. Dazwischen liegt ein aufregender Text, in fünf Kapiteln, die zeitlich genau mit 25. bis 30. November 2008 markiert sind, wird die Geschichte von The Rats abgewickelt.
Dabei handelt es sich um eine Graffiti-Gang, wobei sich jeder der Mitglieder einen Künstlernamen und eine eigene Kunsttheorie des Sprayens zugelegt hat. Die Künstlernamen lauten etwa Flat Rat, Rat Race (ständiger Konkurrenzkampf), Rat-tlesnake (Klapperschlange) und Rat-Able (abgeleitet vo readable lesbar). "Wir vier sind The Rats (die Ratten)". (29)
Die Geschichte wird aus der Sicht von Rat-Able erzählt, aber es gibt kaum längere Sequenzen, weil ständig bei irgendeinem die Erektion ausbricht.
Jetzt bin ich echt ganz vom Thema abgekommen. Aber wenn ich nicht ganz mit der Graffitisache beschäftigt bin, ist mein Kopf immer voll mit Gedanken, die sich um Sex drehen. (47)
Freilich gibt es auch politisch helle Augenblicke mitten in der Graffiti-Sex-Orgie. So heißt es einmal ziemlich süffisant:
Früher hatten wir diese Generation X, heute haben wir die Ich denke nicht mehr, ich lasse für mich denken-Generation. (61)
Während das Eingangskapitel ein Stück edelsten Pornos ist, entwickelt sich das Schlusskapitel zu einem fulminanten Salto weg aus der Gesellschaft. Bei ihrer letzten Aktion müssen die Rats um ihr Leben rennen, denn ein Güterzug ist hinter ihnen her. Schließlich springen sie der Polizei in die Arme.
Ich denke, wir haben uns gut geschlagen. Es war mir eine Ehre. - Die Ehre war auch ganz auf meiner Seite. (96)
Mit diesen Sätzen geht eine wunderschöne Erzählung zu Ende, halb Comics, halb Überlebensphilosophie, voller Untergrundfeeling!
Sebastian Tom Strobl, The Rats.
Kufstein: Eigenverlag 2009. 97 Seiten. ISBN 978-3-200-01464-0.
[Verlagsadresse: 6330 Kufstein, Alois-Kemter-Straße 3/38]