Caroline Alexander, Der Krieg des Achill
"Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus, / Ihn, der entbrannt, den Achaiern unnennbaren Jammer erregte ..." Seit Jahrtausenden gelten diese Anfangszeilen als Synonym für den Beginn der europäischen Literatur aber auch für die Schrecken des Krieges zu allen Zeiten.
Die amerikanische Autorin Caroline Alexander hat es sich zur Aufgabe gemacht, das griechische Epos neu zu hinterfragen. "Es geht in diesem Buch vielmehr um das, was Thema der Ilias ist, um das, was sie über den Krieg sagt." (10) Damit ist ein Thema eröffnet, das die Menschen zu allen Zeiten etwas angeht, die heutige Gegenwart, mit ihren zahlreichen Kriegen und militärischen Auseinandersetzung weltweit nicht ausgenommen.
Ohne direkte Anspielung auf die eigene Gegenwart, auf das Amerika der Bush-Regierung, setzt sich Alexander mit dem zeitlosen Epos über den Krieg und seine Schrecken, über Ehre, Lebensverachtung sowie über das Leiden und Sterben von Helden und Unschuldigen auseinander. Die Bezüge zur eigenen Gegenwart stellen sich bei den Lesern ganz von selbst ein.
Gezielt arbeitet Alexander mit viel Wissen um den Text und seinen historischen Hintergrund gleich zu Beginn anhand der Rede des Achill die erschütternde Kernaussage der Ilias heraus.
Immerhin stellt er die grundlegende Voraussetzung des Militärdienstes in Frage: dass nämlich der einzelne Soldat seine Freiheit, sein Schicksal, ja sein Leben einer Sache unterordnet, die ihn persönlich vielleicht gar nicht betrifft. In der Moderne fand diese Rede ihr Pendant in Muhammad Alis berühmter Weigerung, in Vietnam zu kämpfen. (37)
Und auch eine weitere, für alle Zeiten gültige Aussage rückt Alexander in das Scheinwerferlicht der Betrachtung, nämlich der Gegensatz zwischen Leben und Ruhm, womit Homer ganz bewusst die althergebrachte Heldenkonvention in Frage stellt:
Leben ist kostbarer als Ruhm: So lautet die unheroische Wahrheit, wie sie der größte Krieger vor Troja äußert. (115)
Achilles wird sein Leben schließlich nicht des Ruhmes wegen opfern sondern wegen seines Freundes Patroklos. Dabei verweist Alexander auf die Fortsetzung der Ilias in der Odysee, wo der Held Odysseus bei seinem Gang in die Unterwelt "die schattenhaften Seelen von Helden des Trojanischen Krieges" (244) wieder sehen wird.
Der Krieg offenbart ungeschminkt die Tragik der Sterblichkeit. Ein Held wird für seinen Tod nicht entschädigt, selbst wenn er Ruhm gewinnen mag. (245)
Caroline Alexander liefert mit ihrer Einführung in die Ilias eine fesselnde Analyse von Homers Schilderung des Trojanischen Krieges und seiner Schrecken. Mit viel Fachwissen und Liebe fürs Detail schildert sie die Einsichten eines Dichters, die bis in die heutige Zeit nichts an Aktualität eingebüßt haben. Die Auseinandersetzung Alexanders mit der Ilias und ihrer Geschichte liest sich fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite. Das mit sehr viel Esprit geschriebene Buch sollte in keiner Bibliothek fehlen.
Caroline Alexander, Der Krieg des Achill. Die Ilias und ihre Geschichte, Übers. Ulrike Bischoff
Berlin: Berlin-Verlag 2009, 318 Seiten, 25,60 EUR, ISBN 978-3-8270-0750-6
Weiterführende Links:
Berlin-Verlag: Caroline Alexander, Der Krieg des Achill
Wikipedia: Caroline Alexeander (engl.)