Ewa von Ecky, Die Albträumerin

Buch-CoverNormalerweise kann es eine Schriftstellerin / Schriftsteller der Leserschaft ja nie recht machen. Einerseits soll immer etwas Neues passieren, andererseits dürfen aber eingefräste Lesepfade nicht verlassen werden.

Und meist entscheidet ohnehin die Tagesverfassung der Rezipienten; wenn da jemand schlecht drauf ist, kommt auch das beste Buch nicht an.

Ewy von Ecky riskiert in ihrem literarischen Erstling ein Überschreiten üblicher Gepflogenheiten. So platziert sie in einen als Roman angelegten Text regelmäßig Bilder und Fußnoten, die Kapitelüberschriften sind wie in einem wissenschaftlichen Bericht angelegt und manche fiktionale Situation wird mit einem Tabellen-Statement untermauert.

Die Geschichte der Alpträumerin handelt von einer Übersiedlung von Tschechien nach Deutschland und dem entsprechenden privaten Paradigmenwechsel. Kinga, von der mindestens auf jeder Seite einmal beschrieben wird, dass sie nicht enden wollende lange Beine hat, übersiedelt aus einem Solo-Dasein nach absolvierter Familie nach Deutschland und startet noch einmal durch. Ihr neuer Mann entpuppt sich allerdings als Zocker, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und alles Geld im Kasino durchbringt. Bald einmal erfolgt die Trennung und es bleibt ein Leben in Angst und Arbeitslosigkeit.

Für Kinga wird aus dem Traum von einem neuen Leben ein verlässlicher Albtraum und ihre Frage ist, hängt es mit dem neuen Land zusammen oder einfach damit, dass ab einem gewissen Alter trotz langer Beine alles schief geht.

Wie in einem Horrorfilm sind in diesem Zusammenhang vielleicht die Bilder zu deuten, mal führt ein Treppenaufgang ins Leere, mal zeigt eine Skala den Wert von 350 an, an anderer Stelle ist ein Aufmunterungsplakat zu sehen "Mein Weg". (213)

Kinga geht ihr Leben durchaus cool an, so hat sie etwa eine zehnstufige Skala für den Zustand einer Ehe, und bei zehn heißt es Trennung. (20) Aber alle diese Instrumente einer so genannten Sachlichkeit können nicht darüber hinweg täuschen, dass es auch noch eine andere Welt gibt, jene der Träume und Albträume. Und Assimilation in einem anderen Land und in einer anderen Sprache hat vielleicht damit zu tun, dass man seine Träume neu justieren muss.

Das ist das Problem von Kinga, zum einen funktionieren die sexuellen Mechanismus in beiden Kulturkreisen gleich, zum anderen gibt es in der Traumwelt doch gravierende Unterschiede zwischen Tschechen und Deutschen, was ja kein Wunder ist, gilt Tschechien doch als Heimat des Grotesken und Kafkaesken. Mit allerhand Kuren, Maßnahmen und Hoffnungen rettet sich die Albträumerin durchs Leben, hinter jeder geputzten Fassade steckt offensichtlich das Grauen einer lüsternen Seele.

Ewa von Ecky erzählt eine scheinbar logische Geschichte mit allerhand beinahe surrealen Überlegungen im Hintergrund. Manches, wie die klischeehaften Adjektiva, die nahezu jedem Gesicht zwischen die Augen gepresst werden, lässt sich bei einiger Lesegeduld als sinnvolles Element für das Albtraumhafte auffassen. Denn wahrscheinlich ist der Albtraum nichts anderes als ein zu einem Klischee erstarrter schöner Traum.

Ewa von Ecky, Die Albträumerin. Roman. Abb.
Neckenmarkt: novum 2009. 278 Seiten. EUR 18,90. ISBN 978-3-85022-803-9.

 

Helmuth Schönauer, 24-01-2010

Bibliographie

AutorIn

Ewa von Ecky

Buchtitel

Die Albträumerin

Erscheinungsort

Neckenmarkt

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

novum

Seitenzahl

278

Preis in EUR

18,90

ISBN

978-3-85022-803-9

Kurzbiographie AutorIn

Ewa von Ecky, geb. 1954 in Banska Stiavnica / Slowakei, lebt in Innsbruck.