Martin Kolozs, Lange Abende

Buch-CoverIn wirklich guten Erzählungen muss der Erzähler zu Tode kommen, weil es nach der Erzählung keinen Lebenssinn mehr gibt.

Mit etwas Augenzwinkern hält sich Martin Kolozs an diese seltsame Faustregel, er schickt seinen Helden Christian in den Suizid und lässt ihn zuvor noch einmal bis zur bitteren Neige zu Wort kommen.

Christian ist eines Tages ausgestiegen und hat sich ein Boot gekauft, obwohl er weder schwimmen noch sonst etwas Wasser-Taugliches kann. Der Erzähler verliert ihn dadurch aus den Augen und hält mit klassischem Postverkehr noch den Kontakt aufrecht, diese Briefe und Schriften erweisen sich später als sehr nützlich, denn sie überdauern den Suizid Christians.

Aus den Schriften, den Erinnerungen des Erzählers und aus Sätzen der Hinterbliebenen und Freunde lassen sich die letzten Kreise des Verstorbenen rekonstruieren. Nach einem recht turbulenten urbanen Leben zieht es den Aussteiger zum Boot ?Schöne Greta. Zwar hat der frühere Besitzer den Bootsnamen übermalt und gelöscht, aber Christian will ihn wieder reaktivieren. Zu diesem Zweck steht ihm der Käptn als Vorbesitzer zur Seite, dieser Käptn hat nicht nur Seemannsgarn gelagert sondern auch allerhand Lebensweisheiten im Köcher. Für das Sentimentale ist eine Katze zuständig, die ständig durch die Erzählung schleicht.

In knappen philosophischen Sätzen entwickelt sich an langen Abenden so etwas wie ein reifes, gelungenes Leben. Dabei liegt die Weisheit oft zwischen den schroffen Sätzen, die der Käptn zwischendurch ausstößt.

Sie war eine schöne Frau. - Aber nicht alles wert, was geschehen ist. (84)

Von Ferne erinnert die Szene an den Klassiker Der alte Mann und das Meer, nicht nur weil die Einsamkeit am Boot eine tragende Rolle spielt, sondern weil auch diese unendlichen Kreisbewegungen in schmalen Sequenzen ans Boot schlagen wie Wellen von einer anderen Welt.

Allmählich entzieht sich der Held Christian einer geordneten Zukunftsperspektive, die Begriffe werden zunehmend in Anführungszeichen gesetzt, letztlich ist nichts mehr sicher und niemandem zu trauen. So kreist eben einer um sich herum, ehe er sich umbringt. Als dann noch die Katze umkommt, ist die Handlung klar. Der Rest ist übrig gebliebener Briefverkehr.

Herbert Rosendorfer behauptet in einem kühnen Vorwort, dass die deutsche Literatur letztlich Pastorenliteratur sei, alle anderen hätten keinen Mumm zum richtigen Erzählen. Martin Kolozs wird gelobt wegen seiner erfundenen Wirklichkeiten, die er vor dem Leser ausbreitet.

Und tatsächlich, die "langen Abende" sind von vorne herein als ein Stück Literatur konzipiert, die dem Leser als wirklich und logisch erscheint. So setzt man also den langen Abenden im Text gerne einen langen Abend des Lesens hinzu.

Martin Kolozs, Lange Abende. Erzählung. Mit einem Vorwort von Herbert Rosendorfer.
Innsbruck: Skarabaeus 2010. 88 Seiten. EUR 12,90-. ISBN 978-3-7082-3284-3.

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Martin Kolozs
Skarabaeus-Verlag: Martin Kolozs, Lange Abende

 

Helmuth Schönauer, 25-02-2010

Bibliographie

AutorIn

Martin Kolozs

Buchtitel

Lange Abende

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

88

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-7082-3284-3

Kurzbiographie AutorIn

Martin Kolozs, geb. 1978 in Graz, lebt in Innsbruck.