Hans Karl Peterlini, Freiheitskämpfer auf der Couch

Buch-CoverIn der Wissenschaft gilt manchmal noch das gute Rezept der Alchimisten. Man nehme zwei Stoffe, vermenge sie ordentlich und erhalte das Gold der Wissenschaft in Gestalt einer Diplomarbeit.

Hans Karl Peterlini hat letztlich das naheliegendste Forschungsgebiet in Tirol für seine Studie (und sein Studium) ausgewählt. Er hat den Stoff der Tiroler Bummser- und Zeitgeschichte über die Grundlagen der Psychoanalyse gestülpt, und herausgekommen ist eine wunderbare, süffisant zu lesende Demontage großen Heldentums.

Schon der Titel der Arbeit ist ein Bravourstück an Aufklärung. Die Freiheitskämpfer werden zwar im Sinne der Freudschen Psychoanalyse auf die Couch gelegt, in Wirklichkeit aber stellt sich heraus, dass ihre Motive jene von armseligen Durchschnittsbürgern sind, die quasi als geistige Couch-Potatoes ihre kruden Anschläge verübt haben.

Nach einem Abriss über die psychoanalytischen Grundbegriffe geht es ordentlich zur Sache und den Helden an den mythologischen Kragen. Mutterbindung, Vaterkomplex, Trauma der Geburt, genitale Fixierungen im Unterbewusstsein: - Heraus kommt vorerst einmal eine Geschichtsschreibung, die über den Mythos alles entschuldigt, verteidigt und verklärt, je nachdem, was gerade gefragt ist.

So ist Hofers Kraftmeierei natürlich auch als Auseinandersetzung mit dem Vaterbild, der Heimat und den Führer-Kulten der Herrscherhäuser zu sehen. Auch die Herzjesu-Verlobung der Tiroler ist durchaus als sexuell gestörtes Verhältnis eines scheinbar geschundenen Volkes mit einer überirdischen Erlöser-Figur zu lesen.

Die Heimat verkommt sprachlich gerne zu einem Hoamatl, was den weichenden Söhnen das Herz zerreißt. So wird also nach dem ersten Weltkrieg nicht nur die Heimat zerrissen, sondern auch quer durch die Familien geht diese Zerreißprobe der Heimat, pervers zum Ausdruck gebracht in der Option, wo quasi jede Entscheidung die falsche ist. Die Bummser in den sechziger Jahren schwärmen noch einmal mit dem Sprengstoff im Gelände aus, anstatt sich auf die Couch zu legen und therapieren zu lassen.

Hans Karl Peterlini forscht und schreibt abenteuerlich frech, und das Komische ist, dass vielleicht alles stimmt, was er sagt. Er untersucht Flugblätter und Karikaturen genau so, wie er Interviews mit alternden Akteuren führt. Dabei verschweigt er nie die Methode der Untersuchung. So führt er es etwa dezidiert an, wenn es sich um einen Gedankenversuch oder eine Assoziation handelt. Wahrscheinlich kann man so etwas Skurriles wie den Hofer-Mythos und das Südtiroler Schicksal ohnehin nur mit einer frechen Couch-Analyse entlarven.

Ein wenig ahnt man freilich, dass dieser psychologische Flug über die seelischen Untiefen der Menschen so gut wie für alles geeignet sein könnte. Man könnte zum Beispiel auch Verkehrssünder, Raucher oder SVP-Wähler mit dieser Methode eines Ödipus-Komplexes und einer starken Geburtstraumatik überführen. Die Psychologie ist schließlich jene Wissenschaft, die alles erklären kann, weshalb sie auch von so gut wie jedem mit erfolgreichem Abschluss studiert werden kann.

Hans Karl Peterlini, Freiheitskämpfer auf der Couch. Psychoanalyse der Tiroler Verteidigungskultur von 1809 bis zum Südtiroler-Konflikt
Innsbruck: Studien Verlag 2010. 202 Seiten. EUR 24,90. ISBN 978-3-7065-4814-4

 

Weiterführender Link:
Studien-Verlag: Hans Karl Peterlini, Freiheitskämpfer auf der Couch

 

Helmuth Schönauer, 31-03-2010

Bibliographie

AutorIn

Hans Karl Peterlini

Buchtitel

Freiheitskämpfer auf der Couch. Psychoanalyse der Tiroler Verteidigungskultur von 1809 bis zum Südtiroler-Konflikt

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Studien Verlag

Seitenzahl

202

Preis in EUR

24,90

ISBN

978-3-7065-4814-4

Kurzbiographie AutorIn

Hans Karl Peterlini, geb. 1961 in Bozen, ist Kommunikationsberater und Coach.