Hans Perting, Gläserner Hofnarr

Buch-CoverIn einem Glas sitzt der Dichter, leicht durchgeschüttelt wie der Wein vor einer Verkostung, man kann noch nichts über den Geschmack sagen, der flüssige Dichter jedenfalls schaut besinnlich hoffnungsvoll aus dem Glas.

In einer Zeichnung im Lyrik-Band Hans Pertings schaut der Autor aus dem Glas als souverän der Realität. Einerseits werden seine persönlichen Züge ohne Tarnung wahrgenommen, andererseits klingelt das schelmische Glöcklein des Hofnarren zu den Äußerungen. Zerbrechlich, transparent, ironisch, so wollen die Gedichte Hans Pertings sein.

buchstaben / hab ich gefressen / viele jahre / und gemästet mein ich // an buchstaben bin ich erstickt / fast / an den kanten der zeichen / verblutet // habe sie gebrochen / aus dem mund gewürgt / zu worten und zeichen gepresst / zu bildern und büchern (24)

Das Lesen und Schreiben, professionell und über Jahre betrieben, kann nicht nur süchtig machen sondern auch an die Kotz-Grenze heranführen. Die Literatur kann auch quer im Magen liegen und den Buchstabenfresser quälen, jeder Autor kann es manchmal auch übertreiben. Hier wird eine Seite des Literaturbetriebes angesprochen, die im euphorischen Brimborium der Fiktion sehr selten zur Sprache kommt!

Wahrnehmungen, Bilder, Träume, Erinnerungen: in den Gedichten werden sie jeweils in Frage gestellt, nie ist klar, ob ein Traum auch wirklich gut ausgeht, nie ist gesichert, dass in der Erinnerung schon alles geklärt ist, und eine unscheinbare Wahrnehmung kann eine sensible Seele niederstrecken wie der sprichwörtliche Blitz.

Neben dem kreativen Ich, das um sein Überleben ringt, ist es vor allem die unmittelbare Umgebung, die die Gedichte zum Klingen bringt. Der wilde Oberwind des Vinschgau, die ungestümen Kräfte der Malser Haide, der abgebrannte Sonnenberg, -hier geht die Natur mit Urkräften ans Werk um die Bewohner zu verschrecken oder ihnen die Grenzen zu zeigen.

Und manchmal bleibt mitten in der Jahreszeit einfach ein Tag auf offener Strecke liegen und erklärt sich vorzeitig für beendet.

worauf / sollen die uhren schatten werfen / wenn winterwind / die haide schmirgelt. (115)

In die Gedichte vom Wettkampf des Künstlers mit dem Lauf der Zeit, aufgerieben zwischen scharfer Witterung und verkarsteter Seelenlage, sind die Zeichnungen von Lara Domenghetti eingeflochten. Knapp am menschlichen Porträt entwickeln Schraffuren von Gerätschaften oft Gesichtsausdrücke, ein Sterngucker schaut bei Tageslicht an einer Windmühle vorbei, ein Pflug aus dem Vorjahr verwittert abgestellt im Gewächs der aktuellen Jahreszeit, ein Mensch mit zu großen Schuhen steht im Ziffernblatt einer Sonnenuhr.

Alles ist im Fluss und ungewiss, Hans Perting schickt mit dem gläsernen Hofnarren einen wundersamen Helden auf die Bühne der lyrischen Literatur.

Hans Perting, Gläserner Hofnarr. Lyrik. Zeichnungen von Lara Domeneghetti.
Brixen: Provinz Verlag 2010. 128 Seiten. EUR 19,-. ISBN: 978-88-88118-74-1.

 

Helmuth Schönauer, 06-12-2010

Bibliographie

AutorIn

Hans Perting

Buchtitel

Gläserner Hofnarr

Erscheinungsort

Brixen

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Provinz Verlag

Seitenzahl

128

Preis in EUR

19,00

ISBN

978-88-88118-74-1

Kurzbiographie AutorIn

Hans Perting, geb. 1961 in Mals, lebt in Mals.