Anna Weidenholzer, Der Winter tut den Fischen gut

Vielleicht ist das Leben nur ein Auszählreim, durch den man eines Tages ohne Kommentar aus dem Leben ausgeschlossen wird.

Maria Beerenberger, die Hauptfigur in Anna Weidenholzers Roman „Der Winter tut den Fischen gut“, ist schwer angezählt. Aus diesem Grund beginnt der Roman mit dem vorläufigen Ende, die Protagonistin ist nach treuen Jahren Arbeit in einem Textilgeschäft gekündigt worden, „sie konnte nicht mehr gehalten werden“.

Jetzt sitzt sie so gut es geht auf einer Bank vor der Kirche und beobachtet Wetter und Hunde, Rentner und andere Zeitlose, manchmal kommt ein unverschämt glücklich lachendes Hochzeitspaar aus der Kirche heraus.

Maria Beerenberger wohnt im Tiefparterre, hat immer wieder Termine beim Arbeitsamt und ist vor allem erstaunt, mit welch hohlen Sätzen dieses Gesellschaftsgefüge zusammengehalten wird. In der Welt der Arbeitslosigkeit wimmelt es nur so von schön designten Begriffen, die letztlich nur bedeuten, dass das das Spiel um die Arbeit beendet ist und sich die Arbeitssuchende selbst eine neue Welt organisieren soll.

Im Roman wird von Kapitel vierundfünfzig an abwärts gezählt bis zur Kindheit, wo das Leben noch unverbraucht und voller Hoffnung ist. Es gibt eine kleine Liebe, die zu einer unauffälligen Ehe führt, bis der Mann stirbt. In der Arbeit ist vor allem die soziale Kompetenz von Nutzen, die Kunden werden liebevoll mit dem neuen Gewand vertraut gemacht. Manchmal ist es auch nur ein Gefühlsausbruch, der das Leben in vorher und nachher gliedert.

29 / Manchmal // Es gibt Tage, an denen man sich wünscht, es wäre jemand hier, der einen über den Kopf streicht. Egal wie schmutzig die Hände sind, Hauptsache, sie sind groß. (127)

Die Heldin entwickelt mit der Zeit eine Gelassenheit, mit der sie die Erlebnisse erträglich zu gestalten versucht. Die im Volksmund abfällig gebrauchte Fügung, das ist für die Fische, wird zu einem Überlebensmotto: Der Winter tut den Fischen gut. Vielleicht rettet diese Kälte auch die Ausgestoßenen vor dem Erfrieren.

Anna Weidenholzer entlässt ihre Hauptfigur voller Empathie, Lebenserfahrung und Abgeklärtheit in den Text. Als Leser ist man stumm wie ein Fisch im Winter, weil jeder Satz nur eine Verhöhnung des Schicksals der Protagonistin wäre. Dabei ist die Welt voll von Figuren wie Maria Beerenberger, sie leben in einer Anti-Welt des Wirtschaftsglanzes mitten unter uns.

Anna Weidenholzer, Der Winter tut den Fischen gut. Roman.
St. Pölten: Residenz 2012. 234 Seiten. EUR 21,90. ISBN 978-3-7017-1583-1.

 

Weiterführenden Links:
Residenz-Verlag: Anna Weidenholzer, Der Winter tut den Fischen gut

Homepage: Anna Weidenholzer

 

Helmuth Schönauer, 20-09-2012

Bibliographie

AutorIn

Anna Weidenholzer

Buchtitel

Der Winter tut den Fischen gut

Erscheinungsort

St. Pölten

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Residenz-Verlag

Seitenzahl

234

Preis in EUR

21,90

ISBN

978-3-7017-1583-1

Kurzbiographie AutorIn

Anna Weidenholzer, geb. 1984 in Linz, lebt in Wien. Stadtschreiberin in Kitzbühel 2012.