Sandrone Dazieri, In der Finsternis

Ein schweres Verbrechen dauert immer ein Leben lang, zumindest für das Opfer, wenn es unauflösbar traumatisiert ist.

„In der Finsternis“ nennt sich der Thriller von Sandrone Dazieri, worin als Besonderheit ein ehemaliges Opfer bei der Polizei als Spezialermittler eingesetzt wird. Dante ist als Kind entführt und elf Jahre lang auf einem entlegenen Bauernhof in einem Silo festgehalten worden. In dieser Zeit der Finsternis hat er gelernt, durch Ritzen die Welt zu betrachten. Anhand der wenigen Figuren, die dabei sein Gesichtsfeld durchschreiten, entwickelt er eine Theorie, wie Menschen in ihren Bewegungen ihre charakterlichen Eigenschaften ausdrücken.

Diese Fähigkeit Dantes wird bei der Polizei für die Auswertung von Spuren oder Videos genutzt und dient ihm als Opfer auch als eine Art Therapie. Er sucht nämlich noch immer seine Peiniger, nachdem ihm zwar die Flucht aus dem Silo geglückt ist, ihm aber niemand die Story glaubt.

Ermittelnde Hauptfigur in Entführungsfällen ist Colomba, die wie alle scharf denkenden Menschen bei der Polizei gerade außer Dienst gestellt ist, weil in einer Behörde stets der Dienstweg Vorrang vor der Aufklärung hat. Gerade ist wieder ein Junge entführt worden, seine Mutter findet man mit abgetrenntem Kopf unterm Gebüsch, worin die Turnschuhe des entführten Kindes aufgeknüpft sind.

Colomba und Dante tun sich am Rande des Dienstweges zu einem Team zusammen, sie glaubt an eine große politische Verschwörung, er an die Rehabilitation seiner Zeit im Silo und die Ausforschung der wahren Täter.

Die beiden treibt es quer durch Italien, der Fall wird immer gewalttätiger, selbst vor Bombenanschlägen wird nicht zurückgeschreckt. Was ursprünglich wie ein Fall von Pädophilie eines einzelnen Spinners ausschaut, entwickelt sich zu einem gigantischen Geheimdienst- und Pharmanetzwerk das sich quasi als Gegenwelt zur öffentlichen Gesellschaft etabliert hat. In einem Showdown Marke James Bond fliegen schließlich halbe Landstriche und Untergrund Firmen in die Luft. Und auch die Finsternis im Silo wird spät aber doch erleuchtet.

Der Fall zieht sich vor allem durch die Dialoge der beiden Protagonisten durch die Thriller-Logik, immer wieder wird offensichtlich durch das bloße Umblättern des Lesers etwas Unerwartetes in Gang gesetzt. Überraschung geht vor Logik und der Leser muss sich nichts merken, es wird alles auf jeder Seite neu erklärt.

In der Finsternis ist ein handwerklich gut verarbeiteter Thriller, der seine Spannung durch die Innensicht eines Opfers erfährt. So nebenbei tauchen die Geheimdienstschichten Italiens kurz an die Oberfläche, ehe sich die Nachrichten wieder wie Gerüchte-Blasen in Luft auflösen.

Sandrone Dazieri, In der Finsternis. Thriller. A. d. Ital. von Claudia Franz [Orig.: Uccidi il padre, Mailand 2014].
München: Piper 2015, 557 Seiten, EUR 20,60, ISBN 978-3-492-05688-5

 

Weiterführende Links:
Piper Verlag: Sandrone Dazieri, In der Finsternis
Krimicouch: Sandrone Dazieri

 

Helmuth Schönauer, 25-05-2015

Bibliographie

AutorIn

Sandrone Dazieri

Buchtitel

In der Finsternis

Originaltitel

Uccidi il padre

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Piper Verlag

Übersetzung

Claudia Franz

Seitenzahl

557

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-492-05688-5

Kurzbiographie AutorIn

Sandrone Dazieri, geb. 1964 in Cremona, lebt in Mailand.