Ute Wegmann, Weit weg nach Hause

Buch-CoverLuisa ist fast zwölf Jahre alt, hat rote Locken und besucht das Gymnasium. Auf den ersten Blick scheinen Luisas Probleme typische Erscheinungen der beginnenden Pubertät zu sein - würde so mancher Erwachsene denken. Und alles wird sich mit der Zeit von selbst legen.

Doch Luisa ist nicht erwachsen, fühlt sich allein und unverstanden - und ihre Probleme lösen sich auch nicht in Luft auf, sondern führen zu einem dramatischen Fluchtversuch.

Die Geschichte, das zweite Buch der Kölner Autorin Ute Wegmann, beginnt mit einem Albtraum des Mädchens, der den weiteren Verlauf der Geschichte bereits vorzeichnet: Luisa wird wieder einmal von Stimmen gequält, die sie als "megadämlich' und "zu blöd' beschimpfen. So ergreift die 12-Jährige im Traum, wahrscheinlich nicht zum ersten Mal und sicher nicht zum letzten Mal, die Flucht. Sie radelt zu einer Brücke am Rhein, klettert auf das Geländer und springt auf ein Schiff. Schweißgebadet beginnt für Luisa dieser Morgen und ihr Alltag ist nicht weniger bedrückend.

Krisengebiet 1 - Familie

Von ihrer Mutter Katja, Schauspielerin, fühlt sie sich nicht mehr geliebt und unverstanden, schon am Morgen bekommt sie wütende Monologe zu hören, da sie stets zu spät aufsteht und sehr chaotisch ist, während der 9-jährige Bruder einen Abschiedskuss bekommt. Das Verhältnis zu Thomas, dem Vater, scheint ein wenig besser zu sein, doch dieser glänzt in letzter Zeit immer mehr durch Abwesenheit. Der kleine Bruder schließlich versucht seine Schwester zu nerven, wo auch immer es geht. Luisa scheint materiell sehr gut versorgt, doch die Atmosphäre daheim schwankt zwischen geladen und kühl. Sprechen konnte sie früher nur mit ihrer Oma, doch die ist leider schon gestorben.

Krisengebiet 2 - Schule & Freunde

Obwohl Luisa großes zeichnerisches Talent hat, fällt sie in der Schule meist nur durch Unpünktlichkeit und Träumerei auf - nur mit ausgefallenen Ausreden kann sie ein paar Lacher in der Klasse ernten. Die meisten Mitschüler halten sie für eigenartig und wollen nicht viel mit ihr zu tun haben, sie hat klar die Außenseiterposition in ihrer Klasse. Dabei wäre das, was Luisa am meisten brauchen würde, eine Freundin, mit der sie über alles reden kann. Sie will auch nicht länger als "beknackt' und "unnormal' gesehen werden und nimmt sich vor, sich endlich zu ändern, um von allen anderen akzeptiert zu werden.

Der katastrophale Geburtstag

Bevor sich Luisa jedoch richtig darauf konzentrieren kann, "normal' zu werden - was auch immer das heißen mag, stehen zwei große Ereignisse an: ihr 12. Geburtstag und die Klassenfahrt. Lange zerbricht sich das Mädchen den Kopf, wen sie zu ihrer Party einladen könnte - keine einfache Entscheidung, wenn man keine Freunde hat. Schließlich fasst sie sich ein Herz und lädt fünf Mädchen aus ihrer Klasse ein. Doch der Geburtstag verläuft, wie man es schon befürchtet hat: Das Geburtstagskind wartet daheim stundenlang am liebevoll gedeckten Tisch auf die Gäste. Nur die sehr sozial eingestellte Nathalie taucht anstandshalber kurz auf und entschuldigt die anderen.

Die Flucht

Nach dieser Katastrophe ist eines klar: Luisa kann unter keinen Umständen mit auf Klassenfahrt gehen. Schon die Einteilung der Zimmer war in der Schule eine einzige Demütigung. Niemand wollte sie freiwillig auf einem Beistellbett mit im Zimmer haben. Als ihre Eltern nach einem heftigen Streit erklären, dass sie auf jeden Fall mitfahren müsse, schmiedet Luisa einen Plan: Sie will auf dem Rhein als blinder Passagier auf einem Schiff in die Schweiz zu ihrer geliebten, verständnisvollen Tante fahren. Diesen Plan kann sich auch wirklich - wie in vielen Träumen zuvor - in die Tat umsetzen. Im stockfinsteren Bauch eines Kohlenschiffes macht sie sich voll Angst, aber entschlossen auf die Reise. Der Sohn des Kapitäns, Freddy, entdeckt sie in ihrem Versteck, verrät sie aber vorerst nicht:

Ihr Ziel, die Schweiz, kann die Ausreißerin nicht erreichen, denn ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich dramatisch. Aus einem Kratzer am Bein, den sie sich vor einigen Tagen zugezogen hat, ist eine Entzündung mit Blutvergiftung geworden. In der Zwischenzeit haben die verzweifelten Eltern schon eine groß angelegte Suchaktion gestartet. Zum Glück erkennt Freddy die ernste Lage und Luisa wird per Hubschrauber in ein Krankenhaus geflogen.

Erst an der panischen Reaktion ihrer Eltern erkennt die Heldin der Geschichte, dass sie ihnen noch wichtig ist. Die Eltern hingegen realisieren erst jetzt, in welcher schwierigen Lage sich ihre Tochter befunden hat - z. B. als ihnen kein Name von Luisas Freunden einfällt. So ist Luisa auf ihrer Flucht endlich daheim angekommen und hat in Freddy auch noch einen Freund gefunden.

Ich persönlich finde die Probleme, mit denen dieses Mädchen zu kämpfen hat, sehr eindrucksvoll beschrieben. Man leidet mit Luisa und merkt, wie schwierig ist sein kann, wenn man einfach nur "normal' sein möchte. Der Schluss, bei dem sich plötzlich alles in Wohlgefallen auflöst, erscheint mir etwas zu harmonisch, doch soll er wohl den jungen Lesern Mut machen, die Hoffnung nicht aufzugeben.

Ute Wegmann, Weit weg ... nach Hause. Ab 10 Jahren
München: Verlag dtv-junior 2007, 144 Seiten, 7,20 EUR, ISBN 978-3-423-62299-8
 

Weiterführende Links:
Verlag dtv-junior: Ute Wegmann, Weit weg ... nach Hause
Kinderbuch-Couch: Ute Wegmann

 

Andrea Zeindl, 17-04-2008

Bibliographie

AutorIn

Ute Wegmann

Buchtitel

Weit weg nach Hause

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Verlag dtv-junior

Seitenzahl

144

Preis in EUR

7,20

ISBN

978-3-423-62299-8

Kurzbiographie AutorIn

Ute Wegmann studierte Germanistik in Köln und arbeitet als Autorin fürs Theater, Kino und den Rundfunk.