Ausstellung: Musen an die Front

Mit den Grausamkeiten und Gräueln des Krieges verroht der Mensch in seinem  Denken und Urteilen, was sich in der Sprache niederschlägt. Markige Kriegssprüche wie Serbien muss sterbien!, Jeder Schuss ein Russ! oder Jeder Franzos ein Stoß! sind nur die geläufigsten Beispiele dafür, wie sich die Gewalt des Krieges in der Sprache wieder findet.Die Ausstellung des Adalbert-Stifter-Vereins Musen an die Front? zeigt im speziellen den bewussten oder unbewussten Anteil der Literatur und Kunst am 1. Weltkrieg. Zu sehen ist die Ausstellung bis 30. Juni 2005, von Montag bis Freitag jeweils von 8?18 Uhr, im 1. Stock der Theologischen Fakultät, Karl-Rahner-Platz 1, Innsbruck.

Bereits der griechische Historiker Thukydides weist in seiner Schilderung des Peloponnesischen Krieges darauf hin, wie sehr sich der Krieg auf das Denken und Urteil der Menschen auswirkt: Denn im Frieden und Wohlstand ist die Denkart der Menschen und der ganzen Völker besser, weil keine aufgezwungenen Notwendigkeiten sie bedrängen; aber der Krieg, der das leichte Leben des Alltags aufhebt, ist ein gewalttätiger Lehrer und stimmt die Leidenschaften der Menge nach dem Augenblick.?

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Auf 35 Schautafeln werden Künstler und Intellektuelle im Spannungsfeld zwischen Patriotismus und Pazifismus beschrieben, das freiwillige Engagement so mancher Künstler für den Krieg, aber auch die scharfe Kritik am Krieg oder den Wandel in der Einstellung der einzelnen Persönlichkeiten im Laufe der Zeit zum Krieg. Ergänzt wird die Wanderausstellung durch zwei Vitrinen mit zahlreichen Exponaten, welche die Beteiligung von Tiroler Kriegsdichtern und Künstlern an der k.u.k. Kriegspropaganda zwischen 1914 und 1918 ebenso dokumentieren wie die Kriegsberichterstattung in Tirol. Diese Exponate wurde vom Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck und vom Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck zu Verfügung gestellt. Foto: Markt-Huter

Hinsichtlich der Zahl der beteiligten Staaten, des Einsatzes von Militärtechnik und der Folgen war der 1. Weltkrieg mit keinem der früher geführten Kriege vergleichbar und wurde bereits von den Zeitgenossen als der große Krieg? bezeichnet. Davon sind auch die Literaten und Künstler nicht unberührt geblieben. In der Einleitung der Ausstellung heißt es:

Inter arma silent Musae. Der klassische Spruch von den in Kriegszeiten schweigenden Musen beruht auf der Wunschvorstellung, die Künste als reine von Blut und Gewalt unberührte Produkte des menschlichen Geistes zu sehen. In Wirklichkeit wurden nie Kriege geführt und Schlachten geschlagen, ohne dass dabei auch Schriftsteller und Künstler aller Gattungen und Richtungen ihren Beitrag geleistet hätten. Diejenigen von ihnen, die Mut und Kraft besaßen, im Geklirr der Waffen und im Dröhnen der Schlachtenrufe andere Worte zu schreiben, Bilder zu malen und Lieder zu singen, wurden schnell zu Außenseitern, ja zu Gegnern oder Verrätern abgestempelt.
Der Große Krieg von 1914-1918 war auch eine große Herausforderung für die Künste: Schriftsteller, Maler, Schauspieler und Musiker reagierten auf verschiedene Weise darauf: bejahend, zweifelnd, ablehnend. Von diesen Menschen in der Welt der k.u.k. Monarchie ist hier die Rede.
Ausstellung: Musen an die Front

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Stefan Zweig war einer von zahlreichen Schriftstellern, deren anfängliche Kriegsbegeisterung später in eine Ablehnung des Krieges überging. Foto: Markt-Huter

Die Stimmung am Vorabend des 1. Weltkrieges hat für heutige Betrachter etwas Gespenstisches und wird in der Ausstellung durch eine Aufzeichnung des Dichters Georg Heym (1887-1912) in seinem Tagebuch am 6. Juli 1910 wiedergegeben:

Ach, es is so furchtbar. [...] Es ist immer das gleiche, so langweilig, langweilig,langweilig. Es geschieht nichts, nichts, nichts. Wenn doch einmal etwas geschehen wollte, was nicht diesen faden Geschmack von Alltäglichkeit hinterläßt. [...] Geschäh doch einmal etwas. Würden einmal wieder Barrikaden gebaut. Ich wäre der erste, der sich darauf stellte, ich wollte noch mit der Kugel im Herzen den Rausch der Begeisterung spüren. Oder sei es nur, daß man einen Krieg begänne, er kann ungerecht sein. Dieser Frieden ist so faul ölig und schmierig wie eine Leimpolitur auf alten Möbeln. Ausstellung: Musen an die Front

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Foto: Markt-Huter

Der Beginn des 1. Weltkrieges führte nicht nur zum Abbruch der Beziehungen zu Freunden im Ausland, wie bei Stefan Zweig, der zunächst den Krieg enthusiastisch begrüßt und sich erst später davon distanzierte . Romain Rolland wiederum war ein Pazifist der ersten Stunde.Besonders berühmt war die Auseinandersetzung zwischen dem Pazifisten Heinrich Mann und seinem Bruder Thomas Mann, der den Krieg begrüßt hatte. Arthur Schnitzler lehnte den Krieg von Beginn an ab und schrieb am 5. August 1914: Der Weltkrieg. Der Weltruin.?

Es gibt keine einheitliche Typologie, nach der das Verhalten der Schriftsteller und Intellektuellen im Krieg beschrieben werden könnte. Es gibt nur Einzelbiographien, die auch dann individuell bleiben, wenn sie in Gruppen auftreten. Jede von ihnen hat ihren Krieg. In der Vielfalt der Stimmungen, Stimmen und Aktivitäten finden sich Enthusiasmus, Pathos, Kampfeslust, Mitläufertum, Indifferenz, Zweifel, Urteilsvermögen, Abwägung oder Weitsicht.
Im Spannungsfeld zwischen patriotischen Gefühlen und dem Zeitgeist auf der einen und humanistischer Grundeinstellung auf der anderen Seite fanden Schriftsteller und Intellektuelle ganz unterschiedliche Worte.
Oskar Kokoschka und Georg Trakl meldeten sich freiwillig zum Kriegsdienst. Hugo von Hoffmannsthal und Egon Schiele wurden eingezogen. Robert Michel, Franz K. Ginzkey und Ludwig Hesshaimer waren aktive Militärs. Doch die Trennlinie verlief nicht zwischen den Menschen, sondern ging auch durch die Menschen selbst, die einen Wandel für nötig hielten und riskierten.
Ausstellung: Musen an die Front

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Die Kriegspropaganda machte selbst vor Kindern nicht halt, wie das Lustige Kriegsbilderbuch belegt. Aber auch so markige Sprüche wie Die deutsche Grenze treu bewahrt - Das ist der Deutsch-Tiroler Art gehörten zum Alltag während des 1. Weltkrieges. Foto: Markt-Huter

Im 1. Weltkrieg begann die Kriegspropaganda eine besonders wichtige Rolle zu spielen, wozu in der k.u.k. Armee eigens ein Kriegspressequartier?(KPQ) eingerichtet wurde, das die Aufgabe hatte, für die Presse Berichte und Bilder über das Kriegsgeschehen zu liefern. Die Künstler und Journalisten die damals im KPQ vertreten waren, lesen sich wie das Who is Who der damaligen Kunstszene: die Schriftsteller Roda Roda, Egon Erwin Kish, Leo Perutz, Richard A. Bermann (Arnold Höllriegel) Ferenc (Franz) Molnár, Robert Michel, Franz Werfel, aber auch Künstler wie Oskar Kokoschka, Ferdinand Staeger, Ludwig Hesshaimer, und Albin Egger-Lienz u.a.

Im Wiener Kriegsarchiv wurde parallel dazu eine Literarische Gruppe? mit der Aufgabe ins Leben gerufen, den Krieg für die Nachwelt zu dokumentieren und publizistisch für die Kriegspropaganda aufzubereiten. Durch die Tätigkeit in der Literarischen Gruppe? wurde zahlreichen Schriftstellern gleichzeitig der Dienst am Vaterland und das Fernbleiben von der Front möglich gemacht. Auch in dieser Armee-Einrichtung finden sich zahlreiche prominente Schriftsteller wie: Rudolf Hans Bartsch, Franz Theodor Csokor, Albert Ehrenstein, Franz Karl Ginzkey, Hans Müller, Rainer Maria Rilke, Felix Salten, Stefan Zweig, Alfred Polgar u. a.

Franz Karl Ginskey schrieb über seine Zeit in der Literarischen Gruppe:

Es wurde uns vom Kriegsministerium der dienstliche Auftrag zugegangen, besonders rühmenswerte Taten unserer Krieger im Felde zu sammeln, zu beschreiben und in Büchern herauszugeben. Es sollte damit eine Chronik geschaffen werden, die einerseits die Leistungen unserer Armee für kommende Geschlechter bewahren und andererseits auch das Vertrauen der Mitwelt in die Beharrlichkeit unserer Krieger erhöhen sollte.
F.K. Ginskey in: Zeit und Menschen  meiner Jugend

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Franz Karl Ginzkey und Rudolf Hans Bartsch gehörten der Literarischen Gruppe im Wiener Kriegsarchiv an.  Foto: Markt-Huter

Im Urteil mancher Zeitgenossen galten diese Tinterln des Armeeliteratentums? (K. Kraus) als Pazifisten, was einige von ihnen auch waren. Dennoch hatte jeder ihnen die Pflicht, drei Kriegsgeschichten täglich (F.G.Ginzkey) zu liefern und seine Vaterlandsliebe am Schreibtisch zu bezeugen. Bei diesen Kriegsgeschichten handelte es sich um heldenmäßige Ausschmückungen der nüchternen Belohnungsanträge der Offiziere für einzelne Soldaten. Heldenfrisieren nannte die Literarische Gruppe selbstironisch ihre eigene Tätigkeit. Ausstellung: Musen an die Front

Die Literatur und der Weltkrieg in Tirol

Einer der eifrigsten Verfasser von Kriegsgedichten und Kriegsreden war Prof. Anton Müller, der als Bruder Willram für zahlreiche kriegsverherrlichende Texte verantwortlich war.

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Prof. Anton Müller (Bruder Willram) war einer der glühendsten Kriegsdichter in Tirol.  Foto: Markt-Huter

Ob's Eisen regnet, Feuer speit: -
S'ist immer eine lust'ge Zeit
in unserm Schützengraben! -
Das Lager feuchter Lehm und Stroh,
wem wollten da nicht Träume froh
den süßen Schlummer laben?
Innsbruck, 8/1/1915, Bruder Willram

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Die Front in Tirol, Der Krieg im Alpenrot, Tirol in Waffen und 1914 sind nur einige der zahlreichen Exponate, die das Literatentum während des 1. Weltkriegs in Tirol dokumentieren. Foto: Markt-Huter

Ein anderes Beispiel für Lyrik jener Tage ist das Landsturmlied von Arthur von Wallpach, wo selbstverständlich auch der Hinweis auf Andreas Hofer nicht fehlen durfte:

[...] Was alte Sagen melden,/ Noch einmal sei es wahr, / Voran den Reihn der Helden / Zieh Andre Hofers Schar. / Und wenn die Kugeln sausen, / Grüß Gott du heilige Not! / Der letzte Gruß mag brausen / Dir, Adler, blutigrot /
Arthur v. Wallpach, Landsturmlied

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Der Katalog zu Ausstellung: Musen an die Front! Schriftsteller und Künstler im Dienst der k.u.k. Kriegspropaganda 1914-1918, hrsg. von Jozo Dzambo im Auftrag des Adalbert-Stifter-Vereins München, Neuried b. München 2003; Bd.1 Beiträge, 104 S.; Bd.2 Dokumentation, 88 S.) ist in der Buchhandlung Wiederin und im Dekanat der Theologischen Fakultät zum Preis von 10,00 EUR erhältlich.

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Der zweibändige Katalog zur Ausstellung: Musen an die Front! Schriftsteller und Künstler im Dienst der k.u.k. Kriegspropaganda 1914-1918, Foto: Markt-Huter

 

Weiterführende Links:
Adalbert Stifter Verein: Musen an die Front

 

Andreas Markt-Huter, 08-06-2005

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