Paul Schreyer, Die Angst der Eliten. Wer fürchtet die Demokratie?

paul schreyer, die angst der eliten„Quer durch die Geschichte zieht sich der Streit, wer in der Gesellschaft das Sagen haben soll. Ob in Antike, Mittelalter, 20. Jahrhundert oder heute: Immer wieder aufs Neue stellt sich die Frage nach der Macht im Staate und die nach der Gerechtigkeit. Sollen die Reichen, die »Experten«, die »Klugen« entscheiden – oder soll die Politik tatsächlich von allen bestimmt werden?“

In der öffentlichen Meinung geht die größte Gefahr für die Demokratie von den „populistischen Vereinfachern“ aus. Paul Schreyer zeigt auf, wie die Machtstrukturen in der Demokratie bzw. die Mitsprache des Volkes als Souverän von den Banken, Investoren und ihren Interessenvertretern in den öffentlichen Institutionen kontrolliert und gelenkt wird und die Politik damit nur mehr den Interessen der Reichen und Mächtigen dient.

In vierzehn Kapiteln erfahren die Leserinnen und Leser wie gesellschaftliche Machtstrukturen aufgebaut werden, um die Elite der Reichen vor den Unwägbarkeiten der Demokratie zu schützen. So wird aufgezeigt, dass die politischen Entscheidungen über gesellschaftlich relevante Themen wie Renten, Armutsbekämpfung, Erbschafts- und Vermögenssteuern etc. trotz gegenteiliger Mehrheiten in der Bevölkerung immer im Sinne des Mehrheitswunsches der Wohlhabenden entschieden worden sind. Hinsichtlich einer deutschen Studie kommt der Autor zum Schluss:

Das bedeutet, dass die Regierung die Armen nicht einfach nur ignoriert, sondern praktisch aktiv gegen sie arbeitet. Bei der Berücksichtigung der Ansichten der Mittelschicht sieht es laut Studie ähnlich aus. (16)

Als Ursache für den zunehmenden Populismus in der Politik erscheint damit der Umstand, dass sich die Menschen als eigentlicher Souverän des Staates von ihren politischen Vertretern nicht mehr repräsentiert fühlen, sondern diese als Vertreter der Reichen und Mächtigen verstehen, die ihre Macht verteidigen und ausbauen wollen. Anfänge dieser Politik werden bereits in der Zeit des 2. Weltkrieges ausgemacht, die durch den Kalten Krieg verstärkt werden konnte, indem alle Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und Kritik am Kapitalismus als kommunistische Agitation denunziert werden konnte.

Gleichzeitig damit ist es den gesellschaftlichen Eliten auch in der Demokratie gelungen, aktiv das politische Leben zu beeinflussen und den „Deutungsrahmen“, aus dem heraus politische Fragen und Antworten zu betrachten sind, zu bestimmen.

Nichts desto trotz ist der „Apparat der Eliten, der Reichen und Mächtigen“ (178) schwer angeschlagen. Ihrem Angriff auf die Demokratie setzt Paul Schreyer die Forderung nach mehr direkter Demokratie und die Kraft der klaren und logischen Sprache entgegen.

Das derzeitige System der maßlosen Geldanhäufung zerstört diese Kultur. […] Es ist mir der Idee der Demokratie nicht vereinbar. (179)

Paul Schreyer zeigt mit viel Fachwissen und Hintergrundmaterial Strukturen auf, die einer Demokratie und einer Politik im Interesse der Mehrheit der Bürger entgegenwirken. Verständlich und nachvollziehbar werden die gesellschaftlichen und historischen Ausgangs- und Interessenslagen einer Entwicklung gezeichnet, die den zunehmenden Einfluss und die zunehmende Kontrolle der politischen Entscheidungen durch die Finanzwelt und ihre Repräsentanten beschreiben.

Ein überaus wichtiges, informatives und empfehlenswertes Sachbuch, das tiefe Einblick in die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der Gegenwart gewährt und einen alternativen Blickwinkel in die Krisen der Gegenwart eröffnet.

Paul Schreyer, Die Angst der Eliten. Wer fürchtet die Demokratie?
Frankfurt a. Main: Westend Verlag 2018, 224 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-86489-209-7


Weiterführende Links:
Westend Verlag: Paul Schreyer, Die Angst der Eliten. Wer fürchtet die Demokratie?
Wikipedia: Paul Schreyer

 

Andreas Markt-Huter, 30-08-2018

Bibliographie

AutorIn

Paul Schreyer

Buchtitel

Die Angst der Eliten. Wer fürchtet die Demokratie?

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Westend Verlag

Seitenzahl

224

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-86489-209-7

Kurzbiographie AutorIn

Paul Schreyer ist Sohn des Schriftstellers Wolfgang Schreyer, schreibt als freier Journalist, unter anderem für das Magazin „Telepolis“ und ist Autor mehrerer politischer Sachbücher.