Burkhard Hofmann, Und Gott schuf die Angst

burkard hofmann, und gott schuf die angst„Wenn es einen wesentlichen Unterschied zu den Therapien in Hamburg gibt, dann dieses Riesenmaß an Präsenz des Glaubens in den Sitzungen. Ständig verwiesen die Patienten auf eine Stelle im Koran, in den Hadithen oder der Tradition.“ (S. 125)

Der Hamburger Psychotherapeut Burkhard Hofmann behandelt seit Jahren Patienten am arabischen Golf. Mit dem zunehmenden Reichtum der Mittelschicht durch den Ölhandel ergibt sich ein psychisches Spannungsfeld zwischen der westlichen und traditionellen Lebensweise, mit ihren althergebrachten Familienstrukturen und religiösen Bindungen.

Am Beispiel zahlreicher Patientinnen und Patienten wird der bedrückende Einfluss religiöser Vorschriften und alter Familienstrukturen auf das Seelenleben im arabischen Raum aufgezeigt. Ein besonderes Problem stellt das religiös und kulturell allgemein vermittelte Gebot der totalen Verehrung der Mutter dar, der sich nicht selten in psychotischen Symptomen niederschlägt, wie am Beispiel einer jungen Frau aufgezeigt wird, die unter zwanghafter Einhaltung religiöser Regeln und Wahnvorstellungen leidet.

Als weiteres häufig anzutreffendes Problem wird das „Nanny-Syndrom“ vorgestellt, das auf den Ersatz der Eltern durch die Nanny als Bezugsperson anspielt. Mit dem Ölboom der 1960-iger Jahre ist der Reichtum am arabischen Golf dermaßen angewachsen, dass Nannys zu Hunderttausenden aus dem Osten auf der arabischen Halbinsel angestellt worden sind. Während die armen Nanny ihre eigenen Kinder in ihrer Heimat zurücklassen mussten, wurden die Eltern der arabischen Kinder durch die Nannys ersetzt, was schwerwiegende psychische Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder hatte.

Als weitverbreitet in der Mittel- und Oberschicht wird der Medikamenten- und Drogen missbrauch aber auch die exzessive Form des Konsums beschrieben, mit denen zahlreiche Patienten ihre psychischen Probleme zu betäuben versuchen. Dabei erscheint der mächtige Einfluss der Religion und des Glaubens als nichthinterfragbare Macht.

Der Islam ist niemals nur Privatsache, sondern öffentlicher Auftrag jedes einzelnen Gläubigen. Keiner will sich wegen seines Glaubensmangels einen Vorwurf machen lassen. (S. 130)

Mit viel Einfühlungsvermögen schildert Burkhard Hofmann anhand zahlreicher Patientinnen und Patienten aus dem arabischen Gold wie verhängnisvoll sich strenge religiöse, kulturelle und familiäre Richtlinien auf das Seelenleben von Menschen auswirken können. Dabei dient die Religion mit ihren strengen religiösen Vorschriften als Ventil, um die zahlreichen Ängste zu unterdrücken.

Burkhard Hofmanns „Und Gott schuf die Angst“ bietet einen überaus interessanten und lesenswerten Einblick in die „arabische Seele“ und zeigt die Schwierigkeiten und Grenzen eines streng religiösen vom Islam geprägten Leben und einem westlichem Leben auf.

Burkhard Hofmann, Und Gott schuf die Angst. Ein Psychogramm der arabischen Seele
München: Droemer Verlag 2018, 288 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-426-27756-0


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Droemer Verlag: Burkhard Hofmann, Und Gott schuf die Angst

 

Andreas Markt-Huter, 25-02-2019

Bibliographie

AutorIn

Burkhard Hofmann

Buchtitel

Und Gott schuf die Angst. Ein Psychogramm der arabischen Seele

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Droemer Verlag

Seitenzahl

288

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-426-27756-0

Kurzbiographie AutorIn

Burkhard Hofmann arbeitet seit 1991 als Facharzt für Psychotherapeutische Medizin in eigener Praxis in Hamburg. Schon früh kam er über private Beziehungen in Kontakt mit der arabischen Welt, was zu einem größeren Anteil muslimischer Patienten in seiner Klientel führte, seit zehn Jahren behandelt er regelmäßig Patienten am Persischen Golf.