Daniel Suckert, Eigentlich

daniel suckert, eigentlichEine der größten Errungenschaften der Erzählkultur ist die sogenannte romantische Ironie. Dabei tritt eine Figur aus ihrer Rolle heraus wie aus einem Kostüm und reflektiert über Fug und Unfug des eben Gesagten. Paradebeispiel dafür ist der gestiefelte Kater, der ein Stück gleichen Namens während der Aufführung kommentiert.

Eine ähnliche Ironie, wenn auch auf Basis des Alltagsgrusels, wendet Daniel Suckert in seinem Roman „Eigentlich“ an, worin es vordergründig um die Substanz des Alltags-Trashs geht.

Ausgehend vom Dutzendwort „eigentlich“, das eigentlich pures Füllwort ist, dringt ein auktorialer Ich-Erzähler in den Stoff seiner Umgebung vor. Der Sport, ob Formel 1 oder ein Feldspiel, ist eine Inszenierung, in der sich alle Krankheiten und Devianzen des Publikums widerspiegeln. In der Formel 1 geht es vielleicht nur um jenen Lärm, dessen Aussetzen jemanden ins Hörstudio treibt, bei Feldspielen geht es um die Werbeaufschriften an den Waden der Aktionisten, weshalb man für ein Experiment einen Gorilla aufs Feld schicken kann, und dieser würde nicht gesehen, weil alle auf Fixpunkte wie den Ball schauen.

In der Folge überfällt den Ich-Promotor ein Flow, der ihn aus seinem Erkenntnismuster als Psychologe aussteigen und zu einem Zombie-Autor werden lässt. Während dieses Flows transformiert sich die Realität in Text und der Text krempelt seinerseits die Realität um.

An dieser Kante tummeln sich jede Menge Gespräche zwischen zwei, später drei Personen. Dabei sind die Protagonisten Textfiguren und reale Personen in einem.

Das Figuren-Set ist an und für sich der klassische Horror, Frau, altkluges Kind, Lehrer als potentielle Seitenspringer und Autor als Psychologe und Ehemann.

Die Frau ist dann plötzlich tot, Untersuchungen ergeben keine Aufklärung, schließlich landet auch der Psychologe noch mit verklebtem Mund und gefesselten Händen in der Asservatenkammer des Schreckens.

Die Aufklärung bringt wieder Ordnung in die Wahrnehmung. Eine Sinn-Kette aus Überschriften ergibt einen roten Faden durch die Geschehnisse. Eigentlich, Vergessen, Flow, zurück an den Start, Sozial, Dumm, Beziehungsweise.

In Zombie-Manier sind die Figuren Wiedergänger von Idealbildern, die sich nur un-tot am Leben erhalten lassen. Die vorgestellten Thesen und Behauptungen zeigen dem Leser, dass alles gedopt ist, was wir als Leistung oder Leitbild an jemandem wahrnehmen. Unsere Kultur ist eine Zombiekultur, die das beste schon hinter sich hat.

Warum wird man sich ausgerechnet vor einem möglichen Ende immer dessen bewusst, was man alles in seinem Leben verabsäumt hat. (95)

Daniel Suckert lässt seine Figuren an der Kante auftreten, je nach Leser ist die Figur mal hüben oder drüben von der Realität. - Ein witziges Experiment!

Daniel Suckert, Eigentlich. Roman
Norderstedt: BoD Verlag 2017, 104 Seiten, 15,00 €, ISBN 978-3-7431-6173-3

 

Weiterführende Links:
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Helmuth Schönauer, 26-06-2017

Bibliographie

AutorIn

Daniel Suckert

Buchtitel

Eigentlich

Erscheinungsort

Norderstedt

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Books on Demand Verlag

Seitenzahl

104

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3-7431-6173-3

Kurzbiographie AutorIn

Daniel Suckert, geb. 1980 in St. Johann / Tirol, lebt in Innsbruck.