Hans-Jürgen Pandel, Historisches Erzählen

hans-jürgen pandel, historisches erzählen„Vor lauter Problemorientierung hat der Geschichtsunterricht die Erzählfähigkeit von Geschichte eingebüßt und die Förderung der narrativen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler vernachlässigt.“ (S. 9)

Hans-Jürgen Pandel setzt sich mit dem Erzählen als ureigenste Form der historischen Darstellung auseinander, die im Geschichtsunterricht in den Schulen heute praktisch keine Rolle mehr spielt. Dabei geht die Erkenntnis verloren, wie aus Ereignissen Geschichte, wie aus Beschreibungen von Ereignissen Geschichtsschreibung wird.

In acht Kapiteln werden verschiedene Perspektiven des Erzählens im Geschichtsunterricht erläutert. Das erste Kapitel „Geschichtsunterricht ohne Geschichte“ setzt sich mit der Problematik eines Geschichtsunterrichts auseinander, in dem eine Fülle an Methoden und Unterrichtstechniken zwar helfen den Unterricht abwechslungsreich und motivierend zu gestalten, aber nicht geeignet sind narrative Kompetenz oder das Schreiben von Geschichte zu vermitteln.

Die Geschichtsdidaktik benötigt eine Diskussion über fachspezifische Aufgabenformate. (S. 14)

Das zweite Kapitel betont die Bedeutung von „Erzählen als kulturelle Universale“ und das dritte Kapitel „Vom Aufzählen zum Erzählen – die Anfänge der Geschichtsschreibung“ zeigt die Anfänge der Geschichtsschreibung und die die wesentlichen Elemente historischen Erzählens auf. Dabei werden zunächst Beispiele unterschiedliche Formen historischen Aufzeichnens von der chronologischen Aufzählung bis zum mündlichen und schriftlichen Erzählen von Erlebtem und Vergangenem vorgestellt.

Im vierten Kapitel „Das mündliche Erzählen – Oralität und Literalität“ zeigt den Unterschied und den Übergang von mündlicher zu schriftlicher Erzählform von Vergangenem und handelt vom Übergang vom Erzählen in oralen Kulturen bis zu den Anfängen des historiographischen Erzählens bei Herodot.

Kapitel Fünf „Mythisches Erzählen“ zeigt eine Form des Erzählens, in dem Religion, Metaphysik und Geschichte als eine Einheit behandelt und in der elementare Werte vermittelt werden. Mythen kommt damit grundsätzlich nicht die Aufgabe zu, reale Ereignisse der Vergangenheit zu beschreiben, sondern gemeinschaftsbildende Erklärungen für das Verständnis von Welt und Kultur zu bieten.

Das fünfte Kapitel „Historisches Erzählen“ beschreibt fünf wesentlichen Merkmale historischer Narrativität. Zunächst die „Retrospektivität“, weil Geschichtsschreibung nur rückblickend möglich ist. Das Merkmal der „Temporalität“ kennzeichnet den zeitlichen Ablauf, das zeitliche Verhältnis von Ereignissen. Ein weiteres Merkmal ist die „Selektivität“, welche die unterschiedliche Auswahl von Ereignissen und die unterschiedlichen Perspektiven in der Geschichtsschreibung erklären. Das Merkmal der „Konstruktivität“ bringt zum Ausdruck, dass Geschichten der Historiker konstruierte vom Historiker geformte Geschichten sind. Das letzte Merkmal die „Partialität“ zeigt auf, dass jede Geschichtserzählung eine räumlich und zeitlich begrenzte Erzählung ist. Es kann nie „die Geschichte“ erzählt werden, sondern immer nur ein spezifischer Ausschnitt.

Kapitel sieben „Fiktionales Erzählen“ setzt sich mit der Darstellung von Geschichte in poetischen Werken, wie Kinder- und Jugendromanen und historischen Romanen auseinander.

Im achten Kapitel „Kompetenzen“ wird schließlich der Blick auf den Geschichtsunterricht gewendet, wobei zunächst die „Narrative Kompetenz“ zur Sprache kommt. Weitere Themenpunkte sind das Erzählen im alltäglichen Diskurs, Erzählhandlungen wie z.B. Nacherzählen oder Umerzählen. Kapitel neun „Erzählmethodik“ zeigt anhand zahlreicher Beispiele auf, wie aus Quellen eine Geschichte gemacht wird.

„Historisches Erzählen. Narrativität im Geschichtsunterricht“ fokussiert den Blick auf die Grundlagen der Geschichtsschreibung, das historische Erzählen, das im Geschichtsunterricht inmitten der zahlreichen unterschiedlichsten Methoden und Unterrichtsformen weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Anhand zahlreicher Beispiele gelingt es Hans-Jürgen Pandel die Bedeutung des Erzählens in der Geschichtsschreibung aufzuzeigen und damit den historischen Blick für den Unterricht zu schärfen. Ein überaus empfehlenswertes Sachbuch, das nicht nur Unterrichtenden für das Fach Geschichte interessante Erkenntnisse zu vermitteln mag.

Hans-Jürgen Pandel, Historisches Erzählen. Narrativität im Geschichtsunterricht, a. d. Reihe: Methoden historischen Lernens
Schwalbach: Wochenschau Verlag 2015, 224 Seiten, 15,30 €, ISBN 978-3-89974-532-0

 

Weiterführende Link
Wochenschau Verlag: Hans-Jürgen Pandel, Historisches Erzählen
Wikipedia: Hans-Jürgen Pandel

 

Andreas Markt-Huter, 02-04-2019

Bibliographie

AutorIn

Hans-Jürgen Pandel

Buchtitel

Historisches Erzählen. Narrativität im Geschichtsunterricht

Erscheinungsort

Schwalbach

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Wochenschau Verlag

Reihe

Methoden historischen Lernens

Seitenzahl

224

Preis in EUR

15,30

ISBN

978-3-89974-532-0

Kurzbiographie AutorIn

Dr. Hans-Jürgen Pandel ist ein deutscher Historiker, Geschichtsdidaktiker und emeritierter Professor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.