Hannes Vyoral, jahrland

hannes vyoral, jahrlandNeben Liebe und Tod ist der Kreislauf der Zeit das aufregende Thema, das Künstler seit Jahrhunderten bewegt. Letztlich sind sogar Liebe und Tod der Zeit untergeordnet.

Hannes Vyoral lebt schon seit Jahren an der Kante von Land und Niemandsland und beobachtet die Jahreszeiten, das Wetter, den Kalender. Die dabei aufgezeichneten Kalendergedichte gleichen im ersten Anblick lokalen Wetterereignissen, bei genauerem Hinsehen bringen sie freilich eine eigene Welt zum Vorschein, worin sich täglich ein ganzer Schöpfungsbericht ablesen lässt.

Die äußere Ordnung der gut hundertsechzig Gedichte besorgen die Jahreszeiten, die in diesem Fall mit „Frostkeimer“, „Blauhimmel“, „Mirabilis“ und „Streulicht“ überschrieben sind. Die innere Ordnung liefert die Verlässlichkeit der Natur, die mit ihren Akteuren Flora und Fauna frieren, tauen, brennen und stechen lässt. Dazwischen bewegt sich der lyrische Beobachter mal als später Radfahrer im Herbst oder Abendmensch, der den letzten Zug aus der Stadt am entlegenen Schilf-Bahnhof begrüßt.

Oft sind die Naturkonzentrationen mit einem geographischen Begriff verortet, auf dem Fahrrad zwischen Mörbisch und Rust, Schönenbach, Bregenzerwald, Dunkelsteinerwald, Wachau, die meiste Zeit aber sprechen die Titel eine regionale Lage an, in der sich eine Großwetterkomposition zu einem Augenblick verdichtet, verstörte Mittagsruhe, Versteppung, Gärten im Schilf, Silberdisteln, Nebelnässe.

Die Gedichte sind zudem durch Widmungen mit dem lyrischen Kosmos der österreichischen Gegenwartsliteratur verknotet. Indem einzelne Gedichte etwa Nils Jensen, Esther Strauß, Richard Wall oder Joachim G. Hammer gewidmet sind, tut sich beim Leser auch deren Welt auf, und man liest spätestens beim Inhaltsverzeichnis eine Literaturgeschichte der Lyrik mit.

Die einzelnen Gedichte haben den spitzen Charakter einer treffenden Notiz in sich, sie sind oft das erste Atemholen nach einem schweren Traum, ein zu einer Sequenz gewordener Blick nach draußen auf den Garten, oder eine winzige Rastbank eines langen Gedankenganges.

Das Wetter hat zwei lyrische Vorzüge, es ist immer da und verändert sich stets. Außerdem spricht es alle Sinnesorgane an. Das Wetter im Jahreskreis erzählt alles, was es auf dieser Welt gibt. Der Kalender ist ein passabler Versuch, die Zeit in eine Zahlenkolonne zu drängen, man denke nur an den Abrisskalender, wo die einzelnen Tage von der Wand abgerissen werden, meist mit einem Spruch auf der Hinterseite des Tages.

Hannes Vyoral fährt in seinen Gedichten mit der Zeit mit, lässt Beobachtungen geschehen, kämpft um einen wachen Blick und erzwingt nichts. In dieser Gelassenheit tun sich dann mehrere Welten zusammen und treten als Verse auf, die ab jetzt den Leser begleiten.

umschreibung // immer wieder / wird das so sein - / die blätter haben / sich entfaltet / die blütenstände / stehn im mittagslicht /wie zinnsoldaten / die erde ist / gepflügt, gerecht / wir ziehen / hand in hand / durch wald und feld / es spitzeln überall / die frischen triebe / wir umschreiben es / mit liebe (58)

Hannes Vyoral, jahrland. kalendergedichte
Oberwart: edition lex liszt 2017, 167 Seiten, 18,00 €, ISBN 978-3-99016-129-6

 

Weiterführende Links:
edition lex liszt: Hannes Vyoral, jahrland
Wikipedia: Hannes Vyoral

 

Helmuth Schönauer, 10-12-2017

Bibliographie

AutorIn

Hannes Vyoral

Buchtitel

jahrland. kalendergedichte

Erscheinungsort

Oberwart

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition lex liszt

Seitenzahl

167

Preis in EUR

18,00

ISBN

978-3-99016-129-6

Kurzbiographie AutorIn

Hannes Vyoral, geb. 1953 in Eichkogelsiedlung (NÖ), lebt in Wien und Wallern.