Markus Köhle / Mieze Medusa (Hg.), Slam, Oida!

markus köhle, slam oidaSlam-Ignoranten vergleichen diese Kunstgattung mit dem Jodeln. Beides wird an besonders herzigen Abenden als Wettbewerb auf der Bühne aufgeführt, hat mit Sprache nur am Rande zu tun, gilt als vollkommen unpolitisch und würdigt vor allem die Tagesverfassung.

Markus Köhle und Mieze Medusa kontern dieser unverfrorenen These mit einem sogenannten Handbuch „Slam, Oida!“, darin geht es um satte fünfzehn Jahre Poetry Slam in Österreich. In einem literaturhistorischen Abriss wird diese Epoche Jahr für Jahr aufgerollt. Slam Poetry ist ein Musterbeispiel für eine inszenierte Kunstbewegung, die streng nach Richtlinien des Marketings vorgeht.

So begrüßen einander am Beginn Köhle, Medusa und Co noch persönlich und mit Handschlag, wenn sie ihre literarische Tagesform austesten. In den folgenden Jahren zieht der Slam immer größere Kreise, es gibt eigene Festivals und Anthologien. Für die Literaturwissenschaft werden eigene Manifeste verfasst, damit diese Kunst in Zukunft auch wissenschaftlich wahrgenommen werden kann. Internationale Slam-Spiele in Usbekistan bringen den Durchbruch, weil Slam-Kunst eine ideale Begleitmusik für Deutsch beim Deutschlernen ist.

So lässt sich durch den spielerischen Umgang mit der Sprache mehr vermitteln als mit der puren Grammatik. Und letztlich sind alle erstaunt, dass sich auf Deutsch Emotionen ausdrücken lassen. Heute geht Slam mit allen möglichen Kunstgattungen Event-Ehen ein, ein Musterbeispiel ist etwa die Aufführung von Sibelius erster Symphonie, die mit Slam überlagert ist.

Im aktuellen „Handbuch gibt es 42 Poetry Slam Texte und viel Slam Wissen, untergliedert in Texte, Fotos, Bios, Tipps, Praktisches und Wissenswertes. Das Buch ist im Geheimen dem Meister Tschif gewidmet, der im Mai 2017 verstorben ist. Sein Eingangssatz: „Is ned gfoahn!“ spricht Bände, und der Abgangssatz widerspricht mit einem Wischer allem, was auf 250 Seiten soeben mühsam ausgerollt worden ist. „Na, na, und noamal na. Neatn lo i mi ned.“ (Nein, nein und noch einmal nein. Nötigen lass ich mich keinesfalls.)

Die einzelnen Autorinnen und Autoren sind eher nach dem Zufallsprinzip im Handbuch ausgelegt, es gibt keine Rangordnung, weil diese ja jeden Tag neu erstellt werden muss. Aus Tiroler Sicht könnte man auf Abermann und Koschuh hinweisen, die zusammen mit dem Köhle das magische Slam-Dreieck bilden, wenn sie patriotisch unterwegs sind.

Die Texte müssen natürlich auf der Bühne wachgeküsst werden, aber schon in ihrer winterfesten Form zwischen den Buchdeckeln lassen sie so manch hitziges Thema erahnen: Trottelhausen, Verkehrtmeinnicht, Lesung aus dem Wörterbuch, Tom Turbo und die Sexokalypse, Tante David, Gut, besser, Tschif.

Ein Handbuch muss man in die Hand nehmen, mehr kann man über ein Handbuch letztlich nicht sagen.

Markus Köhle / Mieze Medusa (Hg.), Slam, Oida! 15 Jahre Poetry Slam in Österreich
Paderborn: Lektora Verlag 2018, 257 Seiten, 13,90 €, ISBN 978-3-95461-098-3

 

Weiterführende Links:
Lektora Verlag: Markus Köhle / Mieze Medusa (Hg.), Slam, Oida!
Wikipedia: Mieze Medusa
Wikipedia: Markus Köhle

 

Helmuth Schönauer, 02-03-2018

Bibliographie

AutorIn

Markus Köhle / Mieze Medusa / Stefan Abermann / Markus Koschuh

Buchtitel

Slam, Oida! 15 Jahre Poetry Slam in Österreich

Erscheinungsort

Paderborn

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Lektora Verlag

Herausgeber

Markus Köhle / Mieze Medusa

Seitenzahl

257

Preis in EUR

13,90

ISBN

978-3-95461-098-3

Kurzbiographie AutorIn

Markus Köhle, geb. 1975 in Nassereith, lebt in Wien.

Mieze Medusa (= Doris Mitterbacher), geb. 1975 in Schwetzingen, lebt in Wien.