Jup Rathgeber, Die verwaltete Zeit

Buch-Cover

Manche Städte entwickeln kraft einzelner Künstler ein unverwechselbares Kulturambiente, das sie jeweils von anderen Habitaten unterscheidet.

In der Silberstadt Schwaz gibt es etwa ein markantes Klima des urbanen Universums. Dabei atmen die Künstler einerseits den großen Weltgeist aus, andererseits verlassen sie die Stadt nur noch zu ganz seltenen Anlässen.

Jup Rathgeber war einer dieser bodenständigen Weltmenschen, der die Kunst zu sich kommen ließ anstatt ihr ständig nachzureisen. Im Brot- und Überlebensberuf als Wärter im Rabalderhaus angestellt verwaltete er tatsächlich die Zeit, wie er seine Tagebuchsammlung einmal ironisch nannte.

Im Gedächtnisband ?Die verwaltete Zeit sind exemplarisch einige Gedichte aus dem Nachlass und aus seinen zwei Gedichtbänden "Der hölzerne Spiegel" (1966) und "Gedichte" (1969) nachgedruckt. Jup Rathgeber hat kaum publiziert und nachdem in den sechziger Jahren niemand seine Gedichte wollte, hat er sie auch später nicht mehr heraus gerückt.

Dabei sind einige zeitlose Zeilen dabei, die jegliche Stilrichtung und Eingrenzung sprengen. Wenn etwa "Tauben aus den Augen des Turms fliegen" (62) oder der Sinn eines Gedichtes dadurch definiert wird, dass "viel Gedicht sei in den Gedichten" (4), so schließen diese Zeilen das lyrische Auge des Beobachters und den zurückgenommenen Kommentier-Standpunkt prägnant in sich ein.

Im Prosatext "Der Spießer" hat Jup Rathgeber anhand einer Anti-Figur das Wesen seiner Kunst und sein Lebensprogramm dargestellt. Der Spießer bindet etwa Krawatten für Jahre im Voraus, hat vor Uniformen Respekt und spricht von Geschlechtsorganen nur in der Mundart. Im Spießer-Text kommt die Welt des bunten Achtundsechziger-Jahrs zum Vorschein, gleichzeitig lassen sich die einzelnen Sätze auch heute noch wörtlich auf einzelne Schwazer ummünzen.

Die Aquarelle sind oft ohne Titel und zeigen eine seltsame hierarchische Choreographie der Farbelemente und Strukturen, sie wirken wie minimalisierte Prospekte zu einem Stück, das vielleicht erst noch geschrieben wird.

Eindrücke von Freunden und Kollegen runden den poetischen Kosmos ab. Sein Freund Gert Chesi erzählt von einigen künstlerischen Ausritten, als Jup Rathgeber noch aus der Stadt hinausging.

Der Bahnhof - Die Zeiger der Uhr drehen sich für Ankunft und Abfahrt zugleich. (30)
Der Baum - Nachbar laß ihn stehen diesen Baum in der Mitte des Gartens grab ihn nicht aus ich schenk dir dafür mein Regenwasser. (38)

Es sind die Dinge einer unauffälligen Welt, die Jup Rathgeber umrundet und mit seiner Poesie verwandelt hat.

Jup Rathgeber, Die verwaltete Zeit. Texte und Bilder. Herausgegeben im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv von Beatrice Hackl, Eva Janovsky, Reto Mündle, Daniel Pfurtscheller, Christine Riccabona, Simone Stefan und Anton Unterkircher
Innsbruck: Skarabaeus 2011, 120 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-7082-3293-5

 

Weiterführender Link:
Skarabaeus-Verlag: Jup Rathgeber, Die verwaltete Zeit

 

Helmuth Schönauer, 30-05-2011

Bibliographie

AutorIn

Jup Rathgeber

Buchtitel

Die verwaltete Zeit

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Skarabaeus Verlag

Herausgeber

Beatrice Hackl / Eva Janovsky / Reto Mündle u.a.

Seitenzahl

120

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7082-3293-5

Kurzbiographie AutorIn

Jup Rathgeber, geb. 1938 in Schwaz, seit 1964 freier Schriftsteller, starb 2007 in Schwaz.