Michael Borgolte, Die Welten des Mittelalters

michael borgolte, die welten des mittelalters„In der folgenden untersuchenden Darstellung rückt also die Menschenwelt der drei Kontinente in den Vordergrund; sie bildete schon in der mediterranen Antike eine gedachte Einheit und kann als <trikontinentale Ökumene> oder <Eufrasien> bezeichnet werden.“ (S. 31)

Michael Borgolte skizziert in seinem umfangreichen Sachbuch eine Globalgeschichte des Mittelalters, also eine Geschichte der gesamten Menschheit im Zeitraum zwischen 500 bis 1500 n.Chr. Während gewöhnlich mit der Geschichte des Mittelalters die in der Tradition der römischen Kirche stehende Geschichte des westlichen oder mittleren Europas gemeint ist, verlässt das Buch diese räumliche Abgrenzung und richtet den Blick auf die Geschichte des gesamten Globus während dieses Zeitraums.

Einleitend wird zunächst die zeitliche Dimension des ursprünglich auf die europäische Geschichte bezogenen Begriffs Mittelalter analysiert sowie die räumliche Dimension näher eingegrenzt, die sich hauptsächlich auf die Bereiche Europa, das nördliche Afrika und das südliche Asien beschränken wird.

Das folgende Kapitel beschäftigt sich kurz sowohl mit dem amerikanischen Doppelkontinent und den Welten des Pazifiks als auch in einem späteren Abschnitt mit Schwarzafrika und den arktischen Küstenländern. Anschließend wird die bereits seit der Antike bestehende Verbindung zwischen Europa, Nordafrika und Asien aufgezeigt, für die Borgolte den Begriff „Eufrasien“ kreiert, der im Mittelpunkt des umfangreichen Kapitels „Eufrasien: Verknüpfungen in der trikontinentalen Menschenwelt“ stehen wird.

Das Beziehungsgeflecht „Eufrasien“, betrachtet vor dem Hintergrund gegenwärtiger Globalisierung, wird nun anhand von drei zentralen Themenabschnitten „Reiche als Kommunikationsräume“, „Beziehungsnetz der Religionen“ und „Der Fernhandel“ detailliert dargestellt.

Zunächst kommen im Abschnitt „Reiche als Kommunikationsräume“ die politischen Veränderungen und Ereignisse in Afrika, Asien und Europa zur Sprache. Afrika, das zunächst am Rand der antiken Welt verortet war, erfährt durch die islamische Eroberung eine politische Neuordnung, die auch nach Europa ausgreift und durch den Handel auch Binnenafrika erreicht. Über den politischen Spannungsbogen zwischen dem Mittelmeer und Asien werden zahlreiche asiatischen Reiche wie z.B. Arabien, die Mandschurei, Indien, China, Korea und Japan und das Osmanische Reiche und ihre Beziehungen beleuchtet. Europa wird in seinem Erbe des Imperium Romanum betrachtet und den sich daraus bildenden Reichen vom Frankenreich über Byzanz sowie den verschiedenen Reichen in Europa von Spanien bis Osteuropa. Die „Globalisierung“ durch die imperialen Bestrebungen in „Eufrasien“ erscheinen im Wesentlichen als Gewaltgeschichte.

Im Abschnitt „Beziehungsnetz der Religionen“ werden das Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Jainismus, Konfuzianismus u.a. auch in ihrem Beziehungsgeflecht und Spannungsfeld näher vorgestellt. Allgemein verbreitet waren nur Christen und Muslime, weshalb diese als religiöse Pioniere der Globalisierung betrachtet werden.

Der letzte Abschnitt „Der Fernhandel“ behandelt zunächst den Niedergang der alten antiken Handelsbindungen zu Beginn des Mittelalters sowie den Neuaufbau des West-Ost-Handels über das Mittelmeer, sowie die Erschließung der Nord- und Ostsee und des Seewegs nach Indien, Südostasien und China, wobei die zentrale Stellung Chinas für den asiatischen Fernhandel detailliert aufgezeigt wird.

Das Ziel der Universalgeschichte „Die Welten des Mittelalters“ ist ein hochgestecktes und hat mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zunächst wird der Zeitraum „Mittelalter“ von 500 – 1500 n.Chr. vom Autor selbst gleich zu Beginn kritisch betrachtet, weil dieser nicht leicht fassbare Zeitabschnitt in der Historiographie grundsätzlich für die Geschichte Europas verwendet wird, während sich für andere geographische Regionen andere Zäsuren mit anderen Zeiträumen ergeben. Aber auch geographisches zeigt sich, dass die „Globalgeschichte“ vor allem auf die Regionen Europa, das nördliche Afrika sowie Süd- und Westafrika meint, während Amerika, Schwarzafrika, Nordasien, Australien und er Pazifische Raum nur marginal abgehandelt werden.

Dennoch bietet das umfangreiche Geschichtswerk auf seinen mehr als 1.100 Seiten neue interessante Vergleiche und spannende Einblicke über Beziehungen über große Räume hinweg sowie aus den unterschiedlichen Blickwinkeln Politik, Religion und Handel. Ein überaus lesenswertes Sachbuch, das die Globalisierung der Gegenwart als Anstoß nimmt, die globalen Beziehungen in der Vergangenheit näher zu beleuchten.

Michael Borgolte, Die Welten des Mittelalters. Globalgeschichte eines Jahrtausends, mit 6 Abb. und 30 Karten
München: C.H. Beck Verlag 2022, 1102 Seiten, 49,40 €, ISBN 978-3-406-78446-0

 

Weiterführende Links:
C.H. Beck Verlag: Michael Borgolte, Die Welten des Mittelalters
Wikipedia: Michael Borgolte

 

Andreas Markt-Huter, 12-07-2022

Bibliographie

AutorIn

Michael Borgolte

Buchtitel

Die Welten des Mittelalters. Globalgeschichte eines Jahrtausends

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2022

Verlag

C. H. Beck Verlag

Seitenzahl

1102

Preis in EUR

49,40

ISBN

978-3-406-78446-0

Kurzbiographie AutorIn

Michael Borgolte ist emeritierter Professor für mittelalterliche Geschichte an der Humboldt-Universität und einer der renommiertesten Mediävisten Deutschlands. Zu seinen zahlreichen Publikationen gehören u.a. «Christen, Juden, Muselmanen. Die Erben der Antike und der Aufstieg des Abendlandes» (2006).