Oswald Egger, Prosa, Proserpina, Prosa

Buch-Cover

Wenn einer der innigsten zeitgenössischen Lyriker plötzlich im Titel zweimal die heilige Prosa anruft, ist selbstverständlich Poesie angesagt, zumal die von den Anrufungen eingekreiste Proserpina in fernen Lesebüchern als die Göttin der Fruchtbarkeit und der Unterwelt gilt.

Oswald Eggers Prosa-Poesie besteht beinahe durchgehend aus zwei Textbändern, die als zwei Kosmosse durch den Band gerollt sind. Generell haben diese beiden Welten genauso viel mit einander zu tun, wie in der Mythologie rund um den Achill das Ich mit dem Alles.

Ich und Achilles heißt denn auch der konzeptuelle Überbau, worin Fragen gestellt werden wie: ?

Wie kann ich mir aus nichts etwas machen? (?) Erreicht das Gedicht, wohin es reicht?? (20)

Die nachfolgenden Textkreise sind überschrieben mit ?Fügung auf der ganzen Linie, ohne Ende und Wendungen?, ?Skamanderm Tag?, ?Sich aus nichts etwas machen?, ?Stumm?, ?Skamanderm? Hag?, ?Nichts tun?, ?Zeit werden?.

Im oberen Textband läuft die Poesie, manche Teile sind eingespannt wie ein Wortgedrechsel auf der Drehbank, und tatsächlich müssen oft erst neue Begriffe aus dem Klotz der Semantik gefräst werden. Wörter wie Sandgamander, Glastquallen oder Kies-Giebseln (85) schauen auf den ersten Blick wie alte lyrische Bekannte aus, dann aber gerät der Leser in ein Hoppala und stutzt sich den höheren Sinn zusammen.

Es geht nicht darum, dass man als Leser etwas Präzises meint, sondern dass man jene Augenblicke, in denen man mit diesen Begriffen allein gelassen wird, irgendwie mit Vertrauen erweckenden Sinnzusammenhängen austapeziert.

Im unteren Textband läuft zu diesem Zweck ein Subtext durch, der den Anschein von Sachlichkeit erweckt. Im Stil von Eintragungen in einem Lexikon gibt es Anmerkungen zu Gesteinsformen, zur Ebbe, zur Grenzziehung von Klippen oder zum Verhalten von Wasser an diversen Küsten.

Der poetische Teil ist dabei in großem Zeilenabstand luftig gesetzt, als ob man Korrekturen zwischen den Teilen anbringen sollte, der Subtext geriert sich streng, kompakt und beinahe abweisend, wie es wissenschaftliche Texte eben so mit dem Leser treiben. Aus beiden Prosaschenkeln entsteigt dann mythologisch die Göttin Proserpina, Seite für Seite, stofflos aus einer Stoffüberfülle.

Oswald Eggers Poesie ist längst unverwechselbar geworden, seine Dichtung wird von riesigen Windmühlen eines verborgenen Sinns angetrieben, ständig neue Wortböen ausspeiend. Dem Leser reißt dieser Wortsturm jegliche Mütze vom Kopf, so ferne er in der Hitze der Eggerschen Lyrik überhaupt etwas am Kopf hat.

Oswald Egger: Prosa, Proserpina, Prosa.
Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004. ( = edition suhrkamp 2392). 187 Seiten. 9,30  EUR, ISBN 3-518-12392-0.

 

Helmuth Schönauer, 02-02-2005

Bibliographie

AutorIn

Oswald Egger

Buchtitel

Prosa, Proserpina, Prosa

Erscheinungsort

Frankfurt am Main

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Suhrkamp

Seitenzahl

187

Preis in EUR

9,30

ISBN

3-518-12392-0

Kurzbiographie AutorIn

Oswald Egger, geb. 1963 in Lana, lebt in Wien und Hombroich.